Ich bin Deutscher, also habe ich Recht

21.08.2012 - Carten Nitschke 

Ich lebe nun seit ca. 16 Jahren in meiner Wahlheimat Madrid und habe vorher in der Schweiz, Deutschland und den USA gelebt. Meine Mutter ist Spanierin und ich bin in Bremen aufgewachsen. Madridfuerdeutsche.com verfolge ich seit seiner Entstehung und habe immer wieder gerne die Blogs gelesen und herrlich disskutiert. An den Beiträgen ist mir immer aufgefallen, dass eine starke Kritik an Spanien und den Spaniern geübt wurde. Sicherlich gibt es eine Menge Dinge, die Kritik wert sind.
Aber ich erinnere mich dabei gerne an die Zeit als ich in Deutschland gelebt habe und meine Mutter es "sich erlaubt" hatte, etwas an Deutschland / Deutschen zu kritisieren. Was fiel dieser Frau doch bloss ein?! Nun gut, ich muss sagen, dass ich es leid bin Artikel in der Presse zu lesen wie "Italien und Deutschland haben Spanien erpresst", "Vetternwitschaft treibt Spanien in den Abgrund" , oder das Buch „Spanien als Selbstversuch“. Der Autor hat entweder noch nie in Deutschland gelebt oder ist so nazistisch, dass er alles andere schlecht reden muss, um sein eigenes Übel zu vergessen. Sein letzter Beitrag über Wartezeiten war wohl mehr ein Witz. Aber wie immer ist es nur ein Spanier und ein spanisches Unternehmen, dass nicht perfekt arbeitet. Ich hoffe sehr, dass der Autor auch mal mit Lufthansa über einen deutschen Flughafen fliegt und vielleicht auch mal darüber schreibt.

Es ist schade zu sehen, dass vor allem verbitterte und nazistische Leute über Spanien schreiben. Dieses Land hat viele Fehler gemacht und viele Fehler sind sicherlich auch eng mit der Kultur verbunden, aber das ist noch lange kein Grund einen Fehlstand zu verschlimmern. Gerade Deutschland hat sich auch nicht immer - und vor allem nicht in der jüngsten Geschichte - mit Lorbeeren bedeckt. Es ist schon immer eine Stärke der Deutschen gewesen, sich am meisten und lautesten über die Probleme zu beklagen, die sie selber am wenigsten betreffen.

Es scheint aber von einigen wirklich ein erklärtes Ziel zu sein, den Patienten Spanien tot zu schreiben. Artikel wie der oben genannte über Vetternwirschaft helfen leider nicht etwas zu ändern oder zu verbessern. Ich habe selten mal etwas Positives in den Medien gelesen. Vielleicht gibt es wenig Positivies, aber auch dieses Positive könnte mal journalistischen Wert haben, oder? Inditex ist ein Beispiel und sogar von Spaniern geleitet. Repsol ist das Unternehmen, das die höchste Trefferquote hat, wenn sie nach Öl suchen... Aber es geht ja um Journalisten, deutsche Journalisten die sicherlich auch an deutschen Universitäten besser ausgebildet worden sind als spanische. Ich meinte mal gehört zu haben, das Journalitsten vor allem Fakten so neutral wie möglich darstellen sollen. Wenn dem so sein sollte, dann ist es doch erstaunlich, dass über die spanischen Schulden und die Bankenkrise geschrieben wird, und dass nun die armen deutschen Steuerzahler dafür aufkommen müssen und immer wieder etwas nicht ganz unwichtiges fehlt:
- Der Vergleich der Staatsverschuldung der Euro Länder im Vergleich zum Bruttosozialprodukt
- Information, wer an den Zinsen und der Risikoprämie verdient
- Dass der deutsche Reichtum zu einem nicht unerheblichem Teil eben aus diesen Ländern kommt. Denn Steuern können nur gezahlt werden, wenn es Konsum und Produktion / Dienstleistungen gibt. Soll heissen: Deutschland exportiert einen nicht unerheblichem Teil seiner Produktion in genau die Länder, die nun Probleme habe.... wenn die Probleme größer werden, wird es auch für die so fleissigen und uneigensinnigen Deutschen eng.
- Wie lange hat Deutschland sämtliche Schuldenziele verfehlt?
- In Spanien gibt es weder Arbeitslosengeld, das 80 vom letztem Einkommen beträgt, noch Hartz 4.

Aber es wird von stolzen Spaniern geschrieben, die zum Stierkampf gehen. Nun gut, ich bin froh, dass das Web 2.0 Journalisten immer weniger Macht gibt, denn heute kann jeder schreiben was er will und Internet ermöglicht, dass es überall gelesen wird. Ebenso bin ich froh das man über das Internet sämtliche Inhalte gratis bekommen kann und Urheberrechte einfach nichts mehr wert sind, somit muss vielleicht auch der Autor von einem Buch wie dem oben genannten irgendwann mal sehen, wie er zurecht kommt.

Nur weil wir in einem anderem Land geboren sind, haben wir nicht alle Weisheit gepachtet und können auch nicht alles besser. Warum nutzen wir nicht unsere Energie und anstatt alles kaputt zu kritisieren etwas besser zu machen? Warum schreiben wir nicht darüber, dass es durchaus gute Möglichkeiten gibt "neue" Unternehmen zu schaffen, denn die hohe Arbeitslosigkeit bietet die Chance gut ausgebildete Leute zu finden , die dazu bereit sind etwas zu schaffen und nicht per se um 17.00 Uhr den Stift fallen lassen.

Als "fleissige Deutsche" sollten wir gerade jetzt ein Beispiel sein und nicht nur mit dem Finger auf die Spanier zeigen und sagen "Ihr seid ja selber Schuld".... denn alles im Leben ist zyklisch und auch Deutschland kann es einmal wieder schlecht gehen und es könnte sein das es auf Freunde angewiesen ist. Zur Zeit schafft Frau Merkel alles andere als das.

Kommentare (8) :

Kommentar von lilliput 21.08.2012

Kommentar von utilia 23.08.2012

Kommentar von Astrid 24.08.2012

Kommentar von Isabel 27.08.2012

Kommentar von Ulli 29.08.2012

Kommentar von Carsten 30.08.2012

Kommentar von Tobias Neitz 04.09.2012

Kommentar von Carsten 07.09.2012

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