Fiesta bis zum Morgengrauen

17.01.2008 - Fides O. - Erasmusstudentin an der UCM 

Ist das in Deutschland übliche Vorwarnen der Nachbarn auch in Spanien angebracht? Oktober 2007: Nach vierwöchiger Suche habe ich mit viel Glück endlich eine wunderbare Wohnung in Chueca gefunden. Dort wohne ich mit Ilka, einer deutschen Jurastudentin, und María, einer spanischen Übersetzerin. Wir wollen eine Einweihungs-Fiesta veranstalten und alle unsere Freunde an unserem Wohnungsglück teilhaben lassen. Die Einladungen sind schnell verteilt, die Zusagen häufen sich im gleichen Atemzug; gerade in den ersten Semesterwochen lechzen alle Erasmusstudenten nach sozialen Kontakten. 

Für spanische Gäste sorgt meine Mitbewohnerin María. Am Tag der Party kommen Anrufe im Viertelstundentakt, ob man noch "einen wirklich guuuten Freund, oder vielleicht zwei" mitbringen dürfe. "Gern, aber nur wenn ihr die Zutaten für einen ordentlichen botellón mitbringt!" Getränke und kleine spanische Köstlichkeiten, jamón, manchego und Weißbrot, sind schnell besorgt, jetzt fehlen noch die zehn Tüten Eiswürfel, ohne die hier offenbar keine gelungene Hausparty stattfinden darf. Beim Chino an der Ecke tun sich Sprachbarrieren auf. Ein amüsantes Bild für alle spanisch- sprachigen Kunden des winzigen Allerlei-Ladens: die große blonde Deutsche versucht mit Händen, Füßen und Wortbrocken zu erklären, dass sie Teelichter kaufen will. Sie redet von "luces pequeñas naturales", "kleinen natürlichen Lichtern", während sie mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis formt. Der kleine schwarzhaarige Verkäufer aus Fernost schaut irritiert, plötzlich jedoch zeichnet sich ein erleichtertes Grinsen auf seinem Gesicht ab. Den Zeigefinger hebend, "¡aaaah, esto!", zieht er ein Zweierpack Glühbirnen unter der Ladentheke hervor. 

Das rund-um-die-Uhr-Mitnehmen von Wörterbüchern schadet kaum. Schon Tage vor der Party machen wir uns Sorgen über mögliche Negativ-Reaktionen der Nachbarn - im Haus befinden sich insgesamt acht Wohnungen -, und beschließen, diese mit einer Ankündigung im Treppenhaus vorzuwarnen. "Typisch deutsch" und "superspießig" findet das María. "Hier in Spanien merken die Nachbarn an der lauten Musik, dass eine Party stattfindet" belehrt sie uns. Doch die Fairness siegt und das Plakat ziert einen Abend vor der Party die Eingangstür: "Wir entschuldigen uns bereits jetzt für die mögliche Belästigung". Sehr nett von uns. Als ich am Morgen der Feier aus unserer Wohnung trete, traue ich meinen Augen kaum. Fein säuberlich hat jemand unter unserer Ankündigung mit Tesafilm einen weiteren Zettel befestigt. "Liebe Nachbarinnen, die Regeln sind sehr einfach zu lernen: bis 1.30h wird Lärm toleriert, danach wird die Polizei gerufen." Kein Name, keine Handschrift... ein anonymes Word-Dokument! Überrascht angesichts solch feiger Spießigkeit, die ich wenn überhaupt in Deutschland - und auch hier nur in einer Bottroper Schrebergartensiedlung - erwartet hätte, aber doch nicht in Spanien (!!), erstatte ich Ilka Bericht. 

Diese kann zu der Geschichte auch noch etwas beitragen. Mittags hatte sie im Treppenhaus dem etwa vierzigjährigen Paar, das eine Etage über uns wohnt, zuhören können. Frau zu Mann: "Sag mal, warum hast du denn diesen Zettel hier aufgehängt? Das ist ja wirklich mehr als lächerlich!!". Mann: "Grummel...". Na also, eine Rüge von der eigenen Ehefrau! Die Party war dann übrigens ein voller Erfolg: 70 Leute in unserem Wohnzimmer, viel Tanz, Gesang und... keine Polizei!

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