Vom Suchen und Finden eines Sprachpartners

05.05.2008 - Aline Lutz - Studentin 

Dein Deutsch für mein Spanisch, das klingt fair, dachte ich und stellte kurzerhand einen Aufruf ins Internet, auf der Suche nach spanischen Sprachpartnern in Madrid. Schließlich lernt man eine Sprache im lebendigen Gebrauch doch am schnellsten. Wieviel Spanisch ich auf den folgenden Verabredungen sprechen sollte, davon hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keinen blassen Schimmer.

"Studentin (21) aus Deutschland sucht Spanier(in) zum Sprachaustausch. Lese gerne, interessiere mich für Reisen, Kunst und Sprachen." so in etwa lautete mein knapper Anzeigentext auf der Homepage lingobongo.com. Neben den Text noch ein kleines Foto gesetzt, die Upload-Taste gedrückt und schon war mein Aufruf gut sichtbar im Worldwideweb platziert.

Es dauerte auch nicht lange, bis ich die erste Mail von Javier erhielt. Er sei Student, wolle mir bei meinem Spanisch helfen und fragte, wann ich denn Zeit hätte. Das trifft sich wunderbar, dachte ich und verabredete mich noch für den selbigen Abend für ein Intercambio, so heißt der deutsch-spanische Sprachaustausch. Vor dem "Oso" bei Sol ging dann das Rätselraten los. Javier wusste zwar wie ich aussah, doch ich hatte nur die Info, dass er einen braunen Mantel trug und kurze, dunkle Haare hatte. Grinsend musterten mich die jungen Männer, die ich wahllos nach ihren Namen fragte, in der Hoffnung auf meinen Sprachpartner zu treffen. Spanisch pünktlich, zehn Minuten zu spät, tippte mich meine Verabredung dann jedoch an und fragte auf Spanisch, ob ich denn die blonde Deutsche aus dem Internet sei.

Wir beschlossen, uns in das nächste Café zu setzen und Javier schwieg erstmal beharrlich, bis ich ihn auf Spanisch fragte, wie denn sein Wochenende gewesen sei. Als ich dem Redefluss ein Wort nicht entnehmen konnte und ihn nach der deutschen Bedeutung fragte, runzelte er die Stirn und erklärte, dass er kein Wort Deutsch verstünde. Also versuchte ich es auf Englisch, doch auch mit den Englischkenntnissen des jungen Sportstudenten war es weniger gut bestellt. So blieb es bei der Konversation auf Spanisch, was Javier nicht zu stören schien. Ich versuchte ihm noch ein paar deutsche Sätze beizubringen, doch offensichtlich interessierte er sich weniger für Deutsch, als für mich. Ganz unverhohlen gab er schließlich zu, dass er eigentlich nicht auf der Suche nach einem Sprachpartner, sondern nach einer Verabredung war.

Als ich am selben Abend zuhause mein Postfach überprüfte staunte ich nicht schlecht: 20 neue E-Mails. Pedro will sein Englisch aufpolieren, Ignacio sucht dringend jemandem zum Deutschsprechen und auch Ricardo will einen Partner zum kulturellen Austausch, obwohl er "nix so gut Deutsch schreibe kann." Männer die in ihren Mails von blonden Frauen schwärmten sortierte ich sofort aus. Nun hatte ich die Qual der Wahl. Alle zu treffen klappte schon allein zeitlich nicht. Misstrauisch schielte mein Freund über meine Schulter, dem spanischen Männeransturm traute er nicht. Interessanterweise waren es nämlich nur Männer, die sich auf meine Anzeige gemeldet hatten.

Nach eingehender Prüfung des Angebots entschloss ich mich, Pedro zu treffen. Pedro war zwar Deutschstudent sprach aber dummerweise nach zwei Semestern Studium immer noch kein Wort Deutsch. Mit Händen und Füßen und etwas Englisch verständigten wir uns dennoch. Doch jegliche Korrekturen fielen flach und Fragen von meiner Seite konnte er leider auch nicht beantworten. So machte das ganze wenig Sinn.

Also verabredete ich mich mit Rubén. In langen E-Mails schwärmte er mir von Deutschland und der deutschen Sprache vor. Gleichzeitig beteuerte er, dass er mir unbedingt Madrid zeigen wollte und schon lange eine Gelegenheit suchte, sein Deutsch zu verbessern. Erwartungsvoll stand ich also wieder einmal vor der Bärenstatue bei Sol und wartete und wartete und wartete. Doch diesmal entschloss sich mein Sprachpartner gar nicht erst zu erscheinen.

Ein wenig frustriert rief ich noch am selben Abend meine E-Mails ab und durfte mich über meine erste weibliche Zuschrift freuen. Pilar war schon etwas älter, arbeitete in der Nähe von Madrid als Deutschlehrerin und hörte sich sehr vielversprechend an. Ihre Post war die erste E-Mail auf Deutsch. Tatsächlich sprach sie auf unserer folgenden Verabredung auch sehr gut Deutsch und korrigierte aufmerksam meine grammatikalischen Fehler im Spanischen. Ohne peinliche Gesprächspausen unterhielten wir uns zwei Stunden abwechselnd auf Spanisch und Deutsch über Klischees, Städte und Leute. Ich war begeistert. Experiment Sprachaustausch geglückt.

Kommentare (1) :

Kommentar von Alberto 11.07.2008

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