Warum die Spanier den Crash selbst schuld sind

15.05.2008 - Stefanie Claudia Müller - scm communication 

Die meisten Ausländer wundert es nicht, dass es derzeit mit dem spanischen Wohnungsmarkt rapide den Bach runtergeht, werden hier doch spätestens seit 2002 Mondpreise für mehr als durchschnittliche Immobilien verlangt und wird offensichtlich mehr gebaut als notwendig ist. Auch große spanische Bauträger, die zwar wußten, was Qualität ist, aber lieber billige Häuser fertigstellten und sie dann als Luxus verkauften, damit nachher ihre schon hohe Gewinnmarge sich noch höher gestaltete, kommen jetzt in Schwierigkeiten. 

Sie haben sich seit 2005 stark verschuldet, um immer wieder neue Ferienhaus-Anlagen unter die Spanier zu bringen, die in ihrem Hunger nach Wohlstand fast bereit waren, jeden Preis zu bezahlen. Scheinbar hat die wachsende Doppelverschuldung der Haushalte und Unternehmen niemanden in der spanischen Wirtschaftspresse zu dieser Zeit ernsthafe Sorgen bereitet, von der Politik und den vielen „Experten“ im Land ganz zu schweigen. Erst im Jahr 2006 wird die Problematik in den Medien thematisiert. Jetzt muss die internationale Finanzkrise herhalten, damit der Sektor und auch ganz Spanien einen Schuldigen hat, Selbstkritik wäre ja auch zuviel verlangt.  

Dabei handelt es sich so offensichtlich um ein hausgemachtes Problem, das lange bekannt war und vor dem fast alle die Augen verschlossen haben. Es ist unglaublich, dass die spanische Presse immer noch, statt selbstständig zu denken, widergibt, was die Lobbyisten der Branche in diesen Tagen verbreiten. Wenn ihnen jetzt die Banken den Geldhahn zudrehen, dann machen diese das nicht, wie sie behaupten, weil es ein Liquiditätsproblem gibt (bei zweistelligen Gewinnzuwächsen der großen Banken im ersten Quartal auch schwer vorstellbar), sondern weil die Kreditinstitute sich selber vor der Wirtschaftskrise retten wollen und nicht auf unbezahlten Darlehen sitzen bleiben wollen.   

Die Banken wollen den Kopf aus der Schlinge ziehen, bevor es zu spät ist. Sie wollen nicht als Immobilienmakler darstehen, weil immer mehr Spanier ihre Hypothek nicht mehr zahlen können. Deswegen wird auch hier jetzt ein Regel vorgeschoben, eine 100prozentige Finanzierung ist kaum noch möglich. Das ist verständlich, was jedoch unverantwortlich war, dass die spanischen Finanzinstitute damit solange gewartet haben. Schon im Jahr 2005 war absehbar, dass die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt zurückgehen würde und es bereits viel zu viel leerstehende Immobilien gab. Zudem war klar, dass sich nach zehn Jahren Wirtschaftsboom die Konjunktur ändern würde. Spanien hat nur Konsum, Tourismus und Bau als Wachstumsmotoren, zwei dieser Motoren haben nur zeitlich bedingten Power. 

BBVA, Santander, die Sparkassen, sie alle wußten von dem Problem. Dennoch haben sie die nicht nachhaltige spanische Wirtschaft weitere zwei Jahre lang künstlich angekurbelt, indem sie Billig-Kredite auf den Markt geschmissen haben. Die konsumgierigen Spanier und vielen Einwanderer, in der guten Hoffnung, dass die Politiker und fast alle spanischen Experten Recht haben mögen und die Landung der Wirtschaft sich sanft gestalten werde, haben weiter zugeschlagen bei sogenannten Luxuswohnungen auf Voll-Finanzierungen und großen Autos auf Kredit. Sie machten am Ende sogar Schulden, um zu reisen.  Bedenklich wenigen ist aufgefallen, wie gefährlich diese Entwicklung bei einer konstant hohen Inflation und im EU-Vergleich niedrigen Löhnen war. 

Eine Frechheit ist es, dass die Immobilien- und Bauindustrie jetzt auch noch Geld von der spanischen Regierung dafür haben will, dass sie sich über Jahre an der Spekulation, der Geldwäsche und dem enormen Boom eine goldene Nase verdient haben, die Gewinne jedoch nicht in eine Expansion in andere Länder oder in neue Geschäftsbereiche investiert haben, um sich vor der Krise zu schützen. Diese Voraussicht hatten nur die ganz Großen wie Ferrovial, ACS und FCC. Es ist nur fair, dass jetzt viele der Abzocker pleite gehen. Statt den Immobilien- und Bauunternehmen selber zu helfen, sollte die Regierung den vielen Immigranten unter die Arme greifen, die wegen dem Wohnungsboom ins Land gelassen wurden, die oft wissentlich illegal und zu Hungerlöhnen auf dem Bau gearbeitet haben und jetzt ohne Job und oft nach Jahren in Spanien immer noch ohne Papiere darstehen. Sie sind die einzigen in diesem Sektor, die wirklich Hilfe verdient haben.

Kommentare (14) :

Kommentar von Clementine 17.05.2008

Kommentar von Carsten 19.05.2008

Kommentar von stefanie 20.05.2008

Kommentar von Stefan 20.05.2008

Kommentar von Barbara 20.05.2008

Kommentar von Carsten 20.05.2008

Kommentar von Stefan 21.05.2008

Kommentar von Alexandra 27.05.2008

Kommentar von Ralf 27.05.2008

Kommentar von Carsten 28.05.2008

Kommentar von Alexandra 28.05.2008

Kommentar von Carsten 30.05.2008

Kommentar von stefanie 04.06.2008

Kommentar von tia 14.07.2008

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