WISSENSWERT: Der Thron, von dem aus die Welt regiert wurde: El Real Sitio de San Lorenzo de El Escorial

12.10.2012 - Meike von Lojewski / Madrid für Deutsche 

Einer der berühmtesten Paläste Europas, von dem aus Felipe II. sein Weltreich regierte, ist die gewaltige Klosterresidenz “El Real Sitio de San Lorenzo de El Escorial” (“El Escorial”). Der mächtige Renaissancebau hat einen Grundriss von 207 x 161 Metern und erhebt sich aus weissgrauem Granit an den Ausläufern der Sierra de Guadarrama - am Rand der Ortschaft El Escorial. Die Anlage ist das grösste Renaissancegebäude der Welt und seit 1984 UNESCO Weltkulturerbe. Mit seinen vier Ecktürmen und einer 90 Meter hohen Kuppel steht das festungsartige Kloster im starken Kontrast zur wilden und herben kastilischen Landschaft.

“El Escorial” wird auch das “Achte Weltwunder”, ein “Bollwerk des Glaubens” und das “seltsamste und denkwürdigste Bauwerk der europäischen Geschichte” genannt. Wahrscheinlich hat es von allem ein wenig. Sicher ist, dass Felipe II sich und dem spanischen Imperium des 16. Jahrhunderts ein gewaltiges Denkmal gesetzt hat. Die Ausmasse sind nahezu unglaublich: Neben den gigantisch langen Fassaden werden insgesamt 3.000 Türen, 2.600 Fenster, 16 Höfe, 12 Kreuzgänge und 86 Treppenaufgänge gezählt. Auch die Kosten für den Bau waren für damalige Verhältnisse immens: über fünf Millionen Golddukaten verschlang er und übertraf damit alles bisher da gewesene.

Die Bauarbeiten für “El Escorial” begannen am 23. April 1563 und dauerten bis zum 13. September 1584. Granitblöcke aus der Sierra de Guadarrama wurden eigens dafür verwendet. Entworfen wurde “El Escorial” von Juan Bautista de Toledo, einem Schüler Michelangelos. Nach dessen Tod 1567 übernahm Juan de Herrera die Nachfolge und wurde so zum eigentlichen Schöpfer der Klosterresidenz.

“El Escorial” sollte einmalig werden, denn zum einen wollte Felipe II hier der unangefochtenen Kolonialmacht Spanien zu dem damaligen Zeitpunkt Ausdruck verleihen, zum anderen wollte er dem Heiligen Laurentius ein gebührendes Denkmal bauen, weil er an dessen Gedenktag 1557 den französischen König Heinrich II in der Schlacht von Saint-Quentin besiegt hatte. Dies war Felipe II gelungen: Im “El Escorial” entstand so etwas wie eine katholische Akademie der Wissenschaften. Ganze Bibliotheken wurden aufgekauft, See- und Landkarten gesammelt, Künstler herbeigerufen. So diente der Palast also auch als Bibliothek, Kirche und Mausoleum für Habsburger Könige.

Der König selbst nutzte von dem ganzen Bau nur drei Zimmer. Von Gicht geplagt, regierte er von hier aus über sein Reich, “in dem die Sonne nicht unterging”. Felipe II starb 1598 und mit ihm war ein Jahrhundert spanischer Weltmacht vollendet. Noch heute kann man in einem seiner Räume im “El Escorial” sein Todesbett besichtigen.

Kommentare (0) :

Artikel kommentieren
Artikel-Archiv