WISSENSWERT: Die Testamentsgestaltung bei Geschiedenen und Patchwork-Familien

28.06.2012 - Rechtsanwalt Dr. Hans Hammann / Voelker 

Das ohnehin komplexe Thema der Nachfolge- und Testamentsplanung wird bei deutsch-spanischen Geschiedenen und Patchwork-Familien so unüberschaubar, dass Betroffene am liebsten die Finger davon lassen würden. Da das aber nicht die Lösung sein kann, zumindest dann nicht, wenn man seinen Nachkommen böse Überraschungen ersparen möchte, gibt Dr. Hans Hammann, Fachanwalt für Erbrecht und Partner der Kanzlei VOELKER, Barcelona, hier Antworten auf einige der häufigsten und wichtigsten Fragen zum Thema erbrechtliche Besonderheiten bei Geschiedenen- und Patchwork-Situationen, wenn das deutsche Erb- und Erbschaftsteuerrecht Anwendung findet.

1. Erlischt mit meinem Tod eine Unterhaltsverpflichtung meinem geschiedenen Ehegatten gegenüber?
Nein, grundsätzlich führt der Tod nicht zum Erlöschen des familienrechtlich begründeten Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten. Die Unterhaltsverpflichtung geht vielmehr als Nachlassverbindlichkeit auf den Erben über. Die auf diese Weise begründete Haftung des Erben ist jedoch gedeckelt. Sie reicht allenfalls bis zur Höhe des Pflichtteils, der dem Ex-Ehegatten zugestanden hätte, wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre.

2. Kann mich mein Ex-Ehegatte entgegen meinem Willen beerben?
Grundsätzlich nein, in Ausnahmefällen allerdings ja – und zwar über den Umweg gemeinsamer Kinder. Beispiel: Ein geschiedener Vater hinterlässt seinem Sohn sein gesamtes Vermögen. Anschließend verstirbt der Sohn bei einem Unfall, ohne eigene Abkömmlinge hinterlassen und ohne ein Testament errichtet zu haben. Gesetzliche Alleinerbin wird dann seine Mutter, die damit mittelbar auch ihren geschiedenen Ehegatten als Alleinerbin beerbt. Eines der zentralen Anliegen bei Geschiedenen- und noch mehr bei Patchwork-Testamenten lautet dementsprechend, diesen Effekt auszuschließen und zu verhindern, dass der geschiedene Ehegatte indirekt erbt.

3. Kann ich verhindern, dass mein geschiedener Ehegatte das Erbe meiner Kinder verwaltet, falls sie bei meinem Tod noch minderjährig sein sollten?
Ja - zwar geht die elterliche Sorge für minderjährige Kinder in aller Regel beim Tod eines Elternteils auf den verbleibenden Elternteil über. Man kann jedoch testamentarisch anordnen, dass sich isoliert die Vermögenssorge, die an sich Teil der elterlichen Sorge ist, gerade nicht auf das Vermögen erstrecken soll, das das Kind bzw. die Kinder von Todes wegen erwerben. Der geschiedene Ehegatte ist in dann nicht berechtigt, das geerbte Vermögen zu verwalten. Ähnlich wirkt die Anordnung von Testamentsvollstreckung.

4. Wir leben in einer Patchwork-Ehe. Können wir unsere jeweils einseitigen Abkömmlinge auf das Ableben des länger Lebenden von uns erbrechtlich gleich behandeln?
Teils ja, teils nein – denn in jedem Fall ist die Grenze des Pflichtteilsrechts zu beachten. Beispiel: Ehegatten M und F sind in jeweils zweiter Ehe verheiratet. M hat zwei Kinder in die Ehe mitgebracht und F ein Kind. Setzen sich M und F auf den ersten Erbfall gegenseitig als Alleinerben und auf den Tod des länger Lebenden die drei Kinder als Erben zu je 1/3 ein, ist dies im Hinblick auf die beiden Kinder des Ehemanns unproblematisch. Stirbt jedoch M zuerst, beträgt die Pflichtteilsquote des Kindes von F auf ihr Ableben hin ½ – und liegt damit über dem vorgesehenen 1/3. Dies ist bei der Testamentsgestaltung zwingend zu beachten.

5. Ist es möglich, nur meine neue Familie an meinem Nachlass zu beteiligen?
Jein – zwar verliert der erste Ehegatte spätestens mit der Scheidung sein gesetzliches Erbrecht und ist auch nicht mehr pflichtteilsberechtigt. Sind aber Abkömmlinge aus der ersten Ehe vorhanden, stehen ihnen von engen Ausnahmen abgesehen Pflichtteilsansprüche zu. Gab es zwar keine Kinder, leben die eigenen Eltern aber noch, sind sie ebenfalls pflichtteilsberechtigt.

6. Wie können mein neuer Ehegatte und ich verhindern, dass die Kinder des anderen ihren Pflichtteil geltend machen?
Typischerweise wollen Ehegatten sich gegenseitig absichern. Das gilt auch bei Patchwork-Ehen. Hierzu wird häufig gewünscht, dass die eigenen Abkömmlinge nicht den ihnen zustehenden Pflichtteilsanspruch geltend machen. Das führt bei gemeinschaftlichen Abkömmlingen in aller Regel zur Aufnahme sogenannter Pflichtteilsstrafklauseln in das Testament. Solche Klauseln scheiden allerdings bei Patchwork-Ehen, bei denen die Abkömmlinge nur nach jeweils einem der beiden Ehegatten pflichtteilsberechtigt sind, von vornherein aus. Über Umwege kann aber ein ähnlicher Effekt herbeigeführt werden.

7. Kann ich ohne Weiteres ein Testament zu Gunsten meines neuen Partners errichten?
Es kommt darauf an. Liegen keine früheren gemeinschaftlichen Testamente oder Erbverträge vor, dann ja. Haben sich aber in der ersten Ehe die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und auf den Tod des länger Lebenden die gemeinsamen Abkömmlinge als Erben je zu gleichen Teilen bestimmt, führt das Ableben des erstversterbenden Ehegatten in aller Regel dazu, dass der länger lebende Ehegatte erbrechtlich gebunden ist. Er kann dann weder den neuen Ehegatten noch eventuelle gemeinschaftliche Kinder aus der zweiten Ehe bedenken. Wird die erste Ehe hingegen durch Scheidung aufgehoben, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das gemeinschaftliche Testament insgesamt unwirksam ist. Letzteres ist auf Grund der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings nicht ganz unproblematisch.

8. Kann ich mich von einem alten, bindenden Testament lösen?
Ja, entweder durch einen Zuwendungsverzichtsvertrag mit den testamentarisch bedachten Erben oder im Wege der Anfechtung. Beispielsweise führt eine neue Heirat oder die Geburt gemeinsamer Kinder in der zweiten Ehe zu einem Anfechtungsgrund. Regelmäßig werden die Nachteile der Anfechtung aber die Vorteile überwiegen. Dann muss auf andere Weise Abhilfe geschaffen werden.

9. Spielt es erbrechtlich eine Rolle, ob ich mit meinem neuen Partner verheiratet bin?
Eine sehr große – zwar kann ich meinen neuen Partner und dessen Abkömmlinge auch dann erbrechtlich bedenken, wenn ich nicht mit ihm verheiratet bin. (Nur) eine Eheschließlung aber führt zu einem eigenen gesetzlichen Erbrecht des Partners, was sich wiederum unmittelbar auf die gesetzlichen Erbquoten und damit die Pflichtteilsansprüche der eigenen Abkömmlinge auswirkt. Auch kommen nur Ehegatten und eingetragene Lebenspartner in den Genuss der erbschaftssteuerlichen Freibeträge in Höhe von 500.000 EUR (gegebenenfalls zuzüglich Versorgungsfreibetrag) und unterfallen nur sie der Besserstellung bei den Steuersätzen durch den Steuersatzes I.

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