Endlich ein kleiner Ruck...

06.12.2009 - Stefanie Claudia Müller - scm communication 

Erst im vorherigen Blog haben wir diskutiert, dass sich in Spanien mehr bewegen muss, mit viel Emotionen...

Mit dem Aufmarsch der großen spanischen Gewerkschaften am 12. Dezember in Madrid ist ein erster Schritt getan, auch wenn er eigentlich viel zu spät kommt, da die Wirtschaft jetzt schon mitten in der Krise steckt und Forderungen nach mehr Lohn und weniger Entlassungen auf taube Ohren stoßen dürften. Viele der kleinen und mittelständischen Firmen müssen schauen, wie sie überhaupt lebend über diesen Winter kommen, vor allem Bauunternehmen. Die Staatskassen sind bereits leer, auch an Sozialleistungen kann jetzt nichts mehr erwartet werden.

Auch wenn es unverständlich ist, dass die Gewerkschaften seit zwei Jahren keine Mobilisierungen mehr organisiert haben, sollte das Land diese Demo nutzen. Sie sollten sich anstecken lassen von der Rebellion, Widerstand gegen die bestehenden Wirtschaftszustände und die immer genannte, aber nicht praktizierte Ethik, leisten. Sie sollten auch die Politiker an den Pranger stellen, die sich nur noch mit Kleinkram aufhalten und sich in Machtstreitereien verlieren. Warum schaffen sie es nicht, einen großen Pakt ins Leben zu rufen? Warum schaffen sie es nicht, gemeinsam den Karren aus dem Dreck zu ziehen? Sie sollten auf ihre europäischen Nachbarn schauen, wie sie in der Vergangenheit Krisen bewältigt haben.

Diese Demo, ausdrücklich gegen die gierigen Unternehmer gerichtet, sollte aber auch die politische Elite an den Pranger stellen, die dem bunten Treiben der Bauunternehmen in Aznar-Zeiten und jetzt unter Zapatero zugeschaut und tüchtig mitkassiert hat. Und der Zorn des Volkes sollte sich auch gegen die Banken richten, welche den Menschen Kredite in Boomjahren hinterhergeschmissen haben und jetzt drastisch den Geldhahn zudrehen. Trotz Krise haben sie die Kommissionen noch mal angehoben und auch wenn die Santander fälschlicherweise dafür wirbt, dass sie keine erhebt, gehört das Land in Europa zu denen, das am meisten Gebühren kassieren. Nur Italiens Banken sind nach einer Erhebung der Europäischen Kommission noch schlimmer.

Das alles müsste die Leute auf die Barrikaden bringen, aber leider werden für die Demo am 12. Dezember bisher nur 250 000 Demonstranten erwartet. Für Demos gegen Terrorismus und gegen Abtreibung, durch die Parteien angestachelt, gehen dagegen Millionen auf die Straßen. Aber der 12. Dezember ist dennoch ein Anfang, damit sich etwas bewegt in diesem Land, dass vielleicht überparteisch diskutiert wird. Und vielleicht können sich die Volksparteien ja auch dadurch Anfang des Jahres zu einem Stabiltitäts- und Reform-Pakt entschließen und die nächsten Wahlen erst einmal vergessen.

Spanien braucht eine von Staat organisierte berufliche Ausbildung. Der Staat muss die Unternehmen dabei in die Pflicht nehmen. Nur so kann das Land auch bessere Qualität bei Produkten und Service zu besseren Preisen anbieten und damit im europäischen Wettbewerb den Platz einnehmen, den es eigentlich verdient. Spanien hat soviel zu bieten, nur wissen es leider die wenigsten. Man denke nur an weltweit führende spanische Unternehmen und Banken wie Inditex, Telefónica, Santander, BBVA, Mango, Iberdrola, Acciona oder Pharma Mar, von denen nur Wirtschaftsexperten wissen, dass sie aus dem Land der Sonne kommen. "Made in Spain" kann nur mit Inhalt gefüllt werden, wenn das Land an einem Strang zieht und versteht, dass dieses Qualitäts-Label alle voranbringt, egal ob Galicier, Katalanen oder Madrilenen. Die Krise ist wirklich eine Chance, man muss sie nur sehen und ergreifen.

Kommentare (3) :

Kommentar von Martin Schenk 15.12.2009

Kommentar von stefanie 15.12.2009

Kommentar von 16mm 16.01.2010

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