Taxifahren in Madrid
01.07.2008 - Kathrin Horstmann - Internationale Betriebswirtin
Ich hatte letzte Woche das groβe Glück mit meiner Chefin auf die Expo nach Zaragoza zu fahren und dort einen ereignisreichen und spannenden Tag zu verbringen, der mit einem Empfang auf einer Finca in der Nähe Zaragozas seinen Abschluss fand.
Im Anschluss an ein leckeres Abendessen und dem ein oder anderen Cocktail fuhren wir mit dem Bus nach Madrid zurück, wo wir so gegen halb drei Uhr morgens ankamen.
Nun kann man sagen, dass ich nicht wirklich direkt im Zentrum Madrids wohne, sondern recht weit auβerhalb, um nicht zu sagen in der totalen Pampa - in Galapagar bei Las Rozas!!! Sehr nettes Örtchen, nur eben aus verkehrstechnischer Sicht gesehen nicht so wahnsinng günstig gelegen. Nun blieb mir also nichts anderes übrig, als mir ein Taxi zu schnappen, das ich auch Gott sei Dank nach kurzer Suche- ich war doch mittlerweile ziemlich durch und hatte auch schon das ein oder andere Schläfchen im Bus gehalten - fand. Ich sprang also quasi vom Bus direkt in das Taxi, fragte kurz nach dem Preis, ich hatte nämlich nur 40 Euro dabei und fragte den Taxifahrer, ob das hinhauen würde.
Der meinte ja und schon saβ ich drin im Taxi- auf der Rückbank. Vorne war nämlich das totale Chaos, da lagen zig Straβenkarten, ein Atlas und ne ganze Menge anderes Zeug. Deshalb nahm ich also hinten Platz, sagte, wo ich hin wollte und schloss meine Augen. Wir waren noch keine drei Minuten unterwegs, da sagte der Typ am Steuer zu mir, ob ich ihm kurz die grobe Richtung sagen könnte, er wäre sich doch nicht mehr ganz so sicher, wo ich denn nun eigentlich hinwollte! Ich dachte nur so: Du: Taxifahrer, ich: Fahrgast, wo ist der Fehler? Aber nun gut, die grobe Richtung kannte ich, da ich glücklicherweise die Strecke schon ein paar Mal gefahren war. Also A6 in Richtung A Coruña! Los geht es!
Wir fuhren also ab und irgendwie beschlich mich, als ich da so saβ, das Gefühl, es wäre irgendwie besser, ich würde dem Taxista irgendeine Geschichte erzählen, ihn in ein Gespräch verwickeln oder ihn in sonstiger Weise unterhalten, da ich Angst hatte, dass er sonst entweder einschläft oder irgendwann auf dem Weg sein Messer zückt und mich eiskalt umlegt. Irgendwas hatte der Typ an sich, was mir Sorgen bereitete. Bei genauerem Betrachten sah der Kerl nämlich dem berühmten Torrente recht ähnlich und ich dachte, wenn der nur halb so schräg drauf ist wie er, komm ich nie in Galapagar an.
Also dachte ich, her mit nem Gespräch, ziehste mal die Trumpfkarte Fuβball, hatte doch gerade Deutschland spektakulär das EM-Halbfinale erreicht. So hätten wir Gesprächsstoff und es würde sich keine unangenehme Situation für mich ergeben- Fuβball geht ja immer. Ich fragte ihn also, ob er das Deutschlandspiel gesehen hatte und wie er denn die Chancen für Spanien einschätzen würde. Er drehte sich zu mir um und faselte irgendwas von, ich sollte bitte lauter reden. Es stellte sich heraus, dass er auf dem rechten Ohr taub war, was für mich extrem ungünstig war, da ich ja schräg hinter ihm saβ und sein linkes Ohr verdammt weit weg war. Das Auto war jetzt auch nicht unbedingt der letzte Schrei was neue Technologie bezüglich Motorengeräusche anging und so blieb mir nichts anderes übrig, als so laut zu sprechen, dass er mich auf seinem linken Ohr verstehen konnte. Ich schrie also! Und er antwortete und war begeistert! Ich hatte ins Schwarze getroffen, er war Fuβballfan- und nicht irgendeiner.
Ganz Torrente, Fanático von Atletico Madrid!!! Absoluter Befürworter von Luis Aragonés- übrigens der erste, den ich kennengelernt hab. Na ja so juckelten wir also durch die madrilenische Nacht, schrien uns gegenseitig an, aber kamen, so dachte ich fälschlicherweise, ja zumindest voran. Ja, da war ich dann aber ordentlich schief gewickelt, denn während er mich darüber aufklärte, dass jeder Real Madrid Fan aufgrund seiner sportlichen Überzeugung eigentlich in psychatrische Untersuchung gehört und/oder auch ruhig direkt in den Knast wandern könnte, eben weil die Real Madrid Fans schlicht und einfach gemeingefährlich sind, vergaβ er vor lauter Aufregung auch gerne einfach mal aufs Gaspedal zu drücken.
Während er also wild auf mich einredete, immer wieder auch seinen Kopf mitsamt Augen in Richtung hinten richtete und ich uns mehr als einmal inmitten eines Lavendelfeldes verunfallt sah -übrigens nach wie vor auf der Autopista A6 befindend, erreichten wir eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h. Wir ruckelten über die Straβe und das Fahrgefühl war ähnlich dem, wenn man vergessen hat zu tanken und schwitzend, betend und zitternd auf die nächste Tankstelle zuruckelt. Wir ruckelten also, gute 35 Minuten mittlerweile, die nichtmals der Bus von Madrid nach Galapagar braucht, obwohl er an jeder Ecke hält, und waren weit von unserem oder zumindest meinem Zielort entfernt. Interessierte Don Torrente aber nicht die Bohne, der Taxameter lief fröhlich weiter, lag mittlerweile bei 35,50 Euro und wie gesagt, wir waren Lichtjahre entfernt. Zwischenzeitlich klingelte mein Telefon auch ein paar Mal, mein Freund machte sich doch ernsthafte Sorgen, ob ich vielleicht Opfer einer Entführung gewesen worden war. Ich sagte nur: Estoy de camino y mandame un Tom Tom! YA!
Hatte ich eigentlich erwähnt, dass Mr.Ich-bin-zwar-Taxifahrer-kenn-mich-aber-eigentlich-gar-nicht-aus überhaupt keinen blassen Schimmer hatte, wo wir waren, geschweige denn, wo ich hinwollte??? Ich saβ also da, die Nase plattgedrückt am Fenster, um zu erkennen ob mir irgendwas von dem, was da in Zeitlupe an mir vorbeischlich, bekannt vorkam. Schilder, Häuser, Firmen, Bäume??? Zwischen Casillas, Luca Toni, Sepp Maier und Franz Beckenbauer (ja ja er redete nicht nur vom heutigen Fuβball...NEIN...er präsentierte mir einen ausführlichen Bericht über die Fuβballgeschichte der letzten 50 Jahre- HURRA!!!) schrie ich ab und an: Rechts! Links! Geradeaus! Oder: Stop, die Ampel ist rot! Na ja, aber man(n) kann sich ja auch schlieβlich nicht auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren.
Man mag es kaum glauben, aber wir haben unser Ziel tatsächlich noch in der gleichen Nacht erreicht, ich war mittlerweile wieder topfit, hilft halt, wenn man mitten in der Nacht einfach mal seinen Taxifahrer ne gute Stunde lang anbrüllt oder aufgrund eines akuten Überlebenswillen aus voller Inbrunst versucht, einen spanischen Taxifahrer davon zu überzeugen, nicht länger als fünf Sekunden den Blick von der Straβe abzuwenden. Wir hoppelten also langsam in die Einfahrt meines Appartments, der Fahrpreis lag jetz bei schlappen 54 Euro, Schnäppchen wenn man bedenkt, dass ein hochqualifizierter Vortrag eines spanischen Fuβballspezialisten ja quasi im Preis enthalten war. Wir einigten uns auf 45 Euro, ich kratzte meine letzten Euros zusammen und dachte nur: “Hauptsache angekommen!” Nix da! Ich wollte gerade die Tür zuschlagen, als mein Taxista plötzlich nervös wurde und mir sagte, also es täte ihm jetzt wahnsinnig leid, aber hier in dieser Gegend sei er noch nie gewesen (Ach!!! Sag bloβ!!!), ich sollte ihm doch bitte den Rückweg nach Madrid erklären!!!
Nicht zum ersten Mal auf diesem Wahnsinsstrip suchte ich die versteckte Kamera!
Er zückte also Bleistift (!) und Papier und malte sich einen wirren Stadtplan auf, schlug mit seinen 50 Straβenkarten, die das Gebiet bis nach Marokko abdeckten (gut, dass ich da nicht gelandet bin!) um sich. Ich finde, ich hatte ganz schön viel Geduld mit diesem taxifahrenden Fuβballfreak und tatsächlich als er fertig war und gefühlte 25 000 mal nachgefragt hatte, ob er an der Kirche im Zentrum Galapagars nun rechts oder links abbiegen sollte, meinte er: “Du bist so nett, es gibt selten Leute, mit denen man sich so gut unterhalten kann!” Ja super, der Mann war glücklich und ich auch, ich war angekommen, es war sechs Uhr, die Vögel zwitscherten und um acht Uhr ging mein Wecker, denn um zehn Uhr hatte ich ein Vorstellungsgespräch! Noch Fragen?
Ich plädiere für GPS für alle spanischen Taxis und Automatikschaltung für ruckelfreies Fahren!
Kommentar von Carsten 01.07.2008