SERIE: Raus aus der Krise - 2. Teil

12.04.2010 - Luis S. Weickgenannt, Sánchez & Lehmann 

Vergangene Woche sprachen wir über den externen Kontext unserer spanischen PYME (kleine und mittlere Unternehmen) - zwei unterschiedliche Krisen (die spanische, die internationale) und zwei „Wirtschaften“ (Großunternehmen und Mittelstand). Wir gingen auch auf die Elemente des Teufelskreises ein, in welchem sich viele PYMEs befinden: Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, geringe internationale Ausrichtung, stark reduzierte Finanzierungsmöglichkeiten. Hier noch mal Link zum ersten Beitrag.

Allzuhäufig stellen wir in Krisensituationen Schwarz-Weiß-Denken fest. „Entweder wir bekommen jetzt die zwei Millionen Euro von der Bank oder wir gehen bankrott!“, „Wenn wir diesen einen Auftrag erhalten, sind wir gerettet, ansonsten...“.

Wie Sie feststellen können, haben beide Beispiele gemein, dass zum einen das Spektrum der Optionen, die man aktiv angeht, auf eine oder wenige reduziert ist, bzw. vom „ja/nein“ von einer dritten Partei abhängt. Es könnten uns ja auch zunächst beispielsweise 300 000 Euro statt der zwei Millonen Euro weiterhelfen. Andererseits ist die Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit der Ereignisse in vielen Fällen nicht realistisch. Auf beide Punkte gehen wir am Beispiel in einem der nächsten Teile dieser Serie ein.

Das Funkenwerf-Modell, als Option aus einer Krisensituation

Eines der Denkmodelle, welches Sánchez & Lehmann in den vergangenen Jahren entwickelt und erfolgreich in Krisensituationen angewendet hat, knüpft gerade hier an. Wir nennen es „das Funkenwerfen“. Was hat es damit auf sich? Es gilt zu vermeiden, sich lediglich „durchzuwursteln“ (muddling trough), „irgendwie zu überleben und zu hoffen“ oder „blind um sich zu schießen“ und damit den Auftrag oder die Finanzierung zu erhaschen versuchen. Auch erwarten wir vom Unternehmer nicht, lediglich auf eine langfristige Strategie zu setzen. In Extremsituationen wie einer Krise ist der Druck auf die Entscheidungsträger enorm und es muss auch kurzfristig agiert werden.

Im Mittelpunkt steht vielmehr die Frage: „Wie kann es uns gelingen, mit einem gezielten Aufwand und stark limitierten Ressourcen Maßnahmen einzuleiten, die es uns erlauben, neue Wege zu gehen, ohne allzuviel dabei aufs Spiel zu setzen, und Erfahrung mit einer möglichen Lösung zu sammeln, reale und positive Referenzen zu schaffen, das Vertrauen Dritter (wieder-) zu gewinnen (Investoren, Banken, Zulieferer, etc.) und/oder uns schließlich auf die Spirale der stetigen Besserung zu hieven?

Wir sprechen nicht von einem großen, von außen bedingten Ereignis, ein Setzen auf „alles-oder-nichts“, sondern von einem Denkansatz, der mentale Blockaden der Entscheider sprengen soll. In der Praxis hat sich eine bildhafte Darstellung bewährt: das Feuermachen in der Wildnis. Sie möchten noch vor Einbruch der Nacht mithilfe eines Feuersteins für Wärme sorgen. Worauf kommt es an?

1) Anrichten/Grundlage schaffen: Das Holz muss sortiert und optimal plaziert werden.

2) Funken werfen: Die exakte Stelle, auf die der Funken treffen soll, muss ausgemacht werden. Dort sollte die Wahrscheinlichkeit des Überspringens des Funkens am höchsten sein.

3) Anfachen: Sobald die erste Glut entsteht, muss gezielt nachgeholfen werden, um schließlich ein Feuer zu entfachen.

Das Funkenwerf-Modell am konkreten Beispiel

Mit unserem Krisenunternehmen verfahren wir entsprechend. Konkretes Beispiel eines mittleren Kunden im Industriebereich (verbleibende Finanzierung für Gehälter maximal sechs bis neun Monate):

1) Anrichten/Grundlage schaffen: Zunächst mussten wir die selbstkritische Einstellung des Unternehmers und das Vorabakzeptieren eines möglichen Verlustes sicherstellen. Hat unser Unternehmer erkannt, dass nicht die Bank, sondern sein Walten selbst, die prekäre Finanzlage verursacht hat? Ist er dazu bereit, sich und seiner Umgebung gegenüber die eigenen Fehler, mangelnde Voraussicht bzw. ausbleibendes Risikomanagement einzugestehen?

Begreift er den steinigen und langwierigen Pfad einer Internationalisierung oder Produktneuausrichtung? Ist er bereit, zu delegieren, eine neue Unternehmenskultur zuzulassen? Kann der Unternehmer sich sogar damit abfinden, Unternehmensanteile einem möglichen Partner im Gegenzug für Marktzugang, knappe Ressourcen, komplementäre Fähigkeiten o. ä. zu übertragen, gar die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren?

2) Funken werfen: Anschließend konnten wir die entscheidende Frage stellen. An welcher Stelle und wie genau können wir auf den Teufelskreis, in welchem wir uns befinden, einwirken? Worauf kommt es tatsächlich an? Bei unserem Kunden – er hat eine technologische Innovation im Bereich des Testings entwickelt – war der tatsächlich kritische Erfolgsfaktor nicht der Vertrieb einiger Testgeräte. Vielmehr ging es darum, Dritten gegenüber Signale zu setzen, Vertrauen dahingehend zu schaffen, dass er über ein strategisch hoch interessantes Know-how verfügte.

Es ging darum, Wettbewerbsfähigkeit zu demonstrieren. Gelänge ihm dies, könnte er sowohl Investoren und Finanzierung gewinnen und auch seine Verhandlungsposition gegenüber Dritten wesentlich stärken – dies war ihm klar. Doch es mangelte ihm an Ressourcen für eine Marketingkampagne oder für ein Internationales Branding.

3) Anfachen: So stellten wir die folgende Frage: Wären Sie innerhalb weniger Wochen bereit, 30 Prozent Ihres Unternehmens zu „verschenken“, sofern jemand Ihr Branding sicherstellt? Sicherlich ist dies für einen Eigner, der sein Unternehmen über viele Jahre lang mühsam aufgebaut hat, eine sehr harte Entscheidung. Daher ist auch Punkt 1) so bedeutend. Doch schließlich sah er es ein. Er bat uns, zusammen mit ihm aufzutreten, um gemeinsam internationale Gewandtheit und Professionalität zu demonstrieren und damit weiteres Vertrauen in das zukünftige Potenzial zu schaffen. Und so kam es dazu, dass wir zwei führende Technologiekonzerne (USA und Deutschland) von dessen Mehrwert und Entwicklungschancen überzeugen konnten.

Eines davon erklärte sich schließlich dazu bereit, mit unserem Kunden eine Allianz einzugehen und eine weltweite Kampagne zu tragen, welche circa das Dreifache des geschätzten Wertes des 30-prozentigen Anteils ausmacht.

Der 3. Teil unserer Serie betritt ein höchst spannendes und für viele international Versierte unter den Lesern direkt zu betretendes Feld: die Internationalisierung der spanischen PYME. Hier liefert das Funkenwerf-Modell u.E. ernorme Potenziale – sofern man sie zu heben weiß.

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