28.07.2017 - Ana Caballero
Auf der Kanaren-Insel La Gomera steht bei den Schulkindern ein ganz besonderes Fach auf dem Stundenplan: Pfeifen. Im diesem Unterricht lernen die Schüler die Pfeifsprache ihrer Ahnen, den Silbo Gomero. Dies zeigt, wie sehr es den Inselbewohnern am Herzen liegt, ihre einzigartige Sprache, die seit 2009 Teil der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes ist, weiterleben zu lassen.
Die genauen Ursprünge des Silbo Gomero sind unbekannt. Es wird vermutet, dass diese spezielle Art der Kommunikation von den Volksgruppen mitgebracht wurde, die aus dem Atlas-Gebirge im heutigen Marokko stammten und auf die Insel übersiedelten. Wofür die Pfeifsprache seit etwa 500 Jahren genutzt wurde, liegt hingegen auf der Hand. Sie ermöglichte die Übermittlung von Nachrichten über größere Entfernungen hinweg, bei guten Windbedingungen sind die Pfiffe nämlich drei bis vier Kilometer weit zu hören. Da die Insel lediglich 25 Kilometer lang ist, war es auf diese Weise möglich, Nachrichten schnell von einem Ende zum anderen zu transportieren.
Der Silbo Gomero stellt dabei keine völlig eigenständige Sprache dar, sondern vielmehr eine Kodifizierung einer bestehenden Sprache – früher des Guanche, der Sprache der kanarischen Ureinwohner, heute des Spanischen. In stark vereinfachter Form repräsentiert die Pfeifsprache das spanische Lautsystem, wobei es sich auf die vier Vokale a, e, i, o und die vier Konsonanten ch, k, y, g beschränkt. Bei der Variation der Tonhöhen und -längen sowie Einbringung von Unterbrechungen wird die Artikulation des normalen Sprechens ungefähr beibehalten.
So nützlich das intelligente Pfeifsystem früher war, so sehr wird es heutzutage durch die modernen Kommunikationsmittel verdrängt. Auch neue Alltagsgeräusche wie Motorenlärm haben die Verständigung durch Pfiffe erschwert. Doch die Bewohner von La Gomera sind nicht bereit, ihr traditionsreiches Kulturgut einfach so aufzugeben. Die Einführung des Silbo Gomero als Pflichtfach an allen Schulen bereits im Jahr 1999 hat unter anderem dazu beigetragen, dass er heute immerhin noch mehr als 20.000 „Sprecher” hat. Einige von ihnen haben sich das Pfeifen zum Beruf gemacht, indem sie Touristen, vornehmlich in Hotels und Restaurants, die Sprache vorführen und ihnen einfache Ausdrücke beibringen. Noch ist der Silbo Gomero jedenfalls in den Straßen der Insel zu hören, zum Beispiel, wenn die Einheimischen sich auf ihre ganz eigene Art und Weise begrüßen oder wenn sie pfeifend ein Glas Bier bestellen, anstatt dafür aufstehen oder die Stimme heben zu müssen.
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