MADRID: Ein Korrespondent erzählt

30.08.2010 - Clementine Kügler 

Walter Haubrich zum 75. Geburtstag

Sie gelten als der „Dekan der Auslandskorrespondenten“ in Spanien. Seit über 40 Jahren leben und arbeiten Sie hier. Wie hat sich das Land verändert?


Aus einem wirtschaftlich unterentwickelten Land mit riesigen sozialen Unterschieden wurde Spanien zu einem Land mit einer Wirtschaftskraft über dem EU-Durchschnitt und mit einer zunehmend ausgeglicheneren Sozialstruktur. Die meisten wirtschaftlichen wie sozialen Fortschritte wurden in den 80er Jahren erreicht.

Wie hat sich im Laufe der Jahrzehnte der Journalismus verändert?


Während der Franco-Diktatur musste man wichtige Nachrichten selbst suchen und herausfinden. Über das reale Spanien informierten die spanischen Medien wenig, dafür umso mehr über das offizielle Spanien. Spanische Journalisten gaben manche Informationen, die sie selbst wegen der Zensur nicht veröffentlichen durften, an befreundete ausländische Kollegen weiter. Als gute Journalisten waren sie daran interessiert, dass die ganze Wahrheit über ihr Land bekannt wurde.

Im Übrigen ist die Entwicklung im spanischen Journalismus wie dem anderer Länder eher negativ: auch die Korrespondenten recherchieren jetzt wenig, liefern nur noch selten eigene Meldungen. Moderne Technologie ermöglicht es, dass alle von allen abschreiben und so ähneln sich die Auslandsberichte in den europäischen Medien – besonders im Hörfunk und im Fernsehen – immer mehr. Das macht die Lektüre bzw. das Zuhören und Zusehen so monoton. Die Korrespondenten wählen heute nur noch selten die Nachrichten nach ihrer Wichtigkeit aus. In Spanien ist mir aufgefallen, dass immer mehr neue Korrespondenten aus dem deutschsprachigen Raum noch nicht einmal Spanisch können.

Welche Zeitungen lesen Sie, welche schätzen Sie?

Ich lese fast alle spanischen Zeitungen, auch regionale Blätter. Am meisten schätze ich „El País“ und „La Vanguardia“. In der regionalen Presse „El Correo“ aus Bilbao, der u. a. einen guten Deutschland-Korrespondenten hat, und „La Voz de Galicia“.

Welche Radio- und Fernsehsender meiden Sie?

Der Hetzsender „La Cope“ im Radio und die meisten privaten Fernsehsender.

Sie haben für die Frankfurter Allgemeine und andere Print-Medien gearbeitet, schreiben heute für die Mallorca Zeitung, publizieren Bücher, machen Radio, TV, halten Vorträge, moderieren Veranstaltungen in Europa und Lateinamerika. Schafft das einer allein?

Jahrelang haben Consuelo Franco und dann Clementine Kügler, die sich beide im spanischen Leben, der Geschichte, Kultur und Politik des Landes gut auskennen, mit mir zusammen gearbeitet und wenn ich auf Reisen war, auch unabhängig gearbeitet.

Welche Ausbildung empfehlen Sie interessierten Journalismus-Studenten?


Ein normales Universitätsstudium, wenn möglich in einem bildenden Fach, und ein kurzes Voluntariat oder eine Praxiszeit in einer Redaktion.

Sie sind für deutsche Leser ein Vermittler auch zum hispanischen Amerika. Ist das Verhältnis zum „Mutterland“ Spanien konfliktfrei?

Ganz konfliktfrei natürlich nicht, doch ist das Verhältnis nicht durch negative Erinnerungen an die Kolonialzeit belastet. Die meisten Menschen in Iberoamerika fühlen sich der spanischen kulturellen und literarischen Tradition eng verbunden.

Kommen die spanischen Nachbarn Portugal und Marokko in der deutschen Berichterstattung nicht viel zu kurz?

Portugal stand in den Jahren der Nelkenrevolution (1974-76) täglich auf Seite 1 der deutschen Zeitungen. Heute wird das Land in den deutschen Medien so beachtet wie andere mittlere Länder innerhalb der EU. Marokko findet, nicht zuletzt dank der Arbeit deutscher Korrespondenten mit Hauptstandort Madrid, mehr Beachtung als andere arabische Staaten.

Wie schätzen Sie die Unabhängigkeitsbestrebungen des Baskenlandes ein? Wie geht es mit ETA weiter?


Die Menschen, welche im Baskenland wohnen, streben in ihrer Mehrheit keine Unabhängigkeit, allerdings eine noch größere Autonomie an. ETA findet kaum noch Zulauf und so gut wie keine Sympathie in der baskischen Bevölkerung. Die Terroranschläge von ETA werden weiter abnehmen. Die Organisation wird sich auf absehbare Zeit auflösen, doch könnten einzelne unkontrollierte Terroristen noch Attentate im Baskenland begehen.

Und Katalonien?

Für die meisten Katalanen wäre die erwünschte Lösung für ihre Probleme mit dem Staat Spanien eine wirklich föderalistische Staatsstruktur.

Wer regiert in Zukunft Madrid?


Alberto Ruiz-Gallardón wird aller Voraussicht nach Bürgermeister bleiben. Für die Region würde ich als Präsidentin Trinidad Jiménez, die ich seit langem kenne und mit der ich befreundet bin, gern sehen.

Unseren Glückwunsch!

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