FILMTIPP: Die Welle

20.12.2008 - Sabrina Bohl 

Wäre Faschismus heute wieder möglich? Würde die deutsche Jugend trotz ausführlicher Aufklärung über das Dritte Reich wieder einem System anheim fallen, das im Gleichschritt Diskriminierung und Gewalt duldet?

Basierend auf einem realen Experiment in Palo Alto, Kalifornien, 1967, und dem daraus hervorgehenden Roman von Morton Rhue, ist dies die zentrale Frage, die sich auch der Film „Die Welle“ von Dennis Gansel stellt. Der lässige, gemeinhin als cool und linksorientiert bekannte Lehrer Rainer, der in gelungener Besetzung von Jürgen Vogel dargestellt wird, muss anlässlich einer Projektwoche ausgerechnet ein Seminar zum Thema „Autokratie“ halten.

Was anfänglich als zähes Theoriethema gefürchtet wird, gestaltet sich schließlich als Versuch am eigenen Leib: Disziplin, Ordnung und Gemeinwesen sollen unter ihm als Anführer geprobt werden, weiße Hemden, der Name „Die Welle“ mit versinnbildlichendem Gruß und Logo sowie eine Feindbildschaffung dienen als erste äußere Eckpfeiler.

Doch in geradezu rasantem Tempo entwickelt sich der Verband „Die Welle“ auch über die Klassengrenze hinaus. Wo Schüler noch eben artig Bedingungen für das Zustandekommen einer Diktatur aufzählten, gelangen sie quasi unbemerkt selbst in den Strudel eines verschwörerischen Zusammenhaltes: Wo Außenseiter wie der Schüler Stoltefuss sich eingegliedert und wahrgenommen fühlen oder das Wasserballteam plötzlich Rückhalt und Erfolg findet, bildet sich gleichermaßen ein Klima der Exklusivität und Ausgrenzung, das nicht nur mit uniformem Denken sondern alsbald auch mit Gewalt einhergeht.

Etwas befremdlich bleibt jedoch das etwas zu gewollt gestaltete, drastische Ende des Films, das an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden soll. Man merkt, dass sich hier nicht mehr an die wahren Begebenheiten gehalten wurde: Regisseur Dennis Gansel erwähnte in einem Interview, dass nach anfänglichen Vorführungen mit einem milderen Ende es erschreckend positive Reaktionen auf die „Welle“, ja sogar Imitationsansätze gab, weshalb er sich in der verantwortungsvollen Position sah, ein klareres Statement an den Schluss zu setzen.

Trotz oder gerade wegen dieser sehr didaktischen Wendung, ist „Die Welle“ ein Film geworden, der berechtigterweise seinen Weg in den Geschichtsunterricht finden wird, da er die schmale Grenze zwischen demokratischen Begriffen, die auf überaus humanen Bedürfnissen wie etwa Gemeinschaft und Gleichheit fußen und einem individualitätsverschlingenden Faschismus aufzeigt. Der naive Wunsch „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“, wie ihn einst so schön die Popband Tocotronic musikalisch formulierte und den indirekt auch ein Schüler bei einem bierseligen Gespräch über die Lasten seiner Generation anfangs erwähnt, wird in all seinen möglichen Konsequenzen bis ans brutale Ende gedacht.

In folgenden Kinos in Madrid zu sehen:
Acteón • Cines Conde Duque Alberto Aguilera • Cines Conde Duque Santa Engracia • Cines Princesa (V.O.S. en Español) • Ciné Cité Manoteras • Paz • Renoir - Cuatro Caminos (V.O.S. en Español) • Renoir - Retiro (V.O.S. en Español) • Yelmo Cines Ideal (V.O.S. en Español) • Hier finden Sie die Adressen.

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