GESPRÄCH: Deutsches Archäologisches Institut

21.11.2007 - Clementine Kügler 

Prof. Dr. Thomas Schattner, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) im Gespräch mit Madrid für Deutsche

Sie leiten zusammen mit Frau Prof. Dr. Marzoli das DAI. Wie kommt es, dass Madrid ein Deutsches Archäologisches Institut besitzt?

1829 haben am Altertum interessierte kosmopolitische Intellektuelle in Rom einen internationalen Zirkel gegründet, der sich durch Publikationen über die Forschungsarbeit finanzieren sollte, was nicht gelang. Eines der Mitglieder war Friedrich Wilhelm IV., Kronprinz und später König, und der hat dann die Finanzierung übernommen und das Bestehen des Kreises gesichert. Das ging so bis in die Zeit Bismarcks. Dann wurde das Institut abschließend als ein deutsches Institut etabliert und erhielt eine feste Summe aus dem Staatshaushalt. Dem Mittelmeerraum und den Arainerstaaten galt das zentrale Interesse. Abteilungen im In- und Ausland konnten eröffnet oder übernommen werden, Athen, Kairo, Frankfurt, Istanbul 1929 - mitten in der Wirtschaftskrise – und Madrid 1943.

Das war noch im Zweiten Weltkrieg.

Ja, es wird gleich wieder geschlossen und die Briten nehmen die Bibliothek in Kommission, bewahren und behüten sie. 1954 wird die Abteilung in diesem Bauhausgebäude wiedergegründet, in dem wir uns heute befinden. Gründungsdirektor Dr. Schlunk sorgt dafür, dass das Gebäude gekauft wurde, Personal angestellt, Projekte durchgeführt wurden. Heute besteht das Institut aus drei Gebäuden mit Büros, Fotolabor, Bibliothek, Zeichensaal, Gästehaus – in der Calle Serrano. Denkmalgeschützt und bald zu klein für unsere Zwecke.

Wieviele Mitarbeiter sind hier beschäftigt?

Fünf hauptamtliche Wissenschaftlicher, davon zwei Direktoren, Hilfskräfte, Stipendiaten, Fotograf, Zeichner, Sekretärin und weiteres technisches Personal. Wir sind 18 Mitarbeiter insgesamt teils mit festen Stellen, teils mit zeitlich befristeten Stellen.

Welche Themen behandeln die Forschungsprojekte?

Wir sind ein Forschungsinstitut und widmen uns der Grundlagenforschung. Unsere Aufgabe ist es Fragestellungen zu entwickeln, die tragfähige Antworten erwarten lassen und im historischen Kontext des westlichen Mittelmeergebietes stehen. Wir sind in Spanien, Portugal und Marokko tätig. Die Projekte werden entwickelt. Wenn sie Ausgrabungen beinhalten, werden sie den jeweiligen Behörden zur Genehmigung vorgelegt. Genehmigungen werden in der Regel für fünf oder sechs Jahre gegeben. Am Ende werden die Ergebnisse veröffentlicht. Dazu geben wir die Publikationen heraus, monographische Reihen, aber auch Periodika wie die Madrider Mitteilungen, die jährlich erscheinen.

Welchen Zeitraum decken Sie ab?

In der derzeitigen Interessen-Konstellation der Wissenschaftler an der Abteilung decken wir etwa 8000 Jahre ab von der Steinzeit (7. Jt. v. Chr.) bis in die muselmanische Zeit des 12. Jhs. n. Chr. Wir kümmern uns um die islamische Architektur ebenso wie um die römische Welt und ihre Kunst wie etwa die Villen oder das Theater von Mérida, um die vorrömischen Heiligtümer ebenso wie um das komplexe Problem der phönizischen Seefahrt nach Westen und deren mannigfaltigen Folgeerscheinungen, um die erste Metallgewinnung in der Kupferzeit ebenso wie um den Handel mit Elfenbein im 3. Jt. v. Chr. im Mittelmeergebiet. Auf der Iberischen Halbinsel sind wir in nahezu allen Landesteilen mit Forshungen vertreten. Dazu kommt die marokkanische Atlantikküste.

Die Anträge werden grundsätzlich genehmigt?

Ja. In Spanien haben seit 1983 die Autonomien die Kulturhoheit. Man hat jetzt mit mehr Ansprechpartnern zu tun, aber wir haben eine lange Geschichte und einen sehr guten Ruf und das hilft.

Wird mit den spanischen Archäologen zusammengearbeitet?

In aller Regel arbeiten wir mit Forschungseinrichtungen des jeweiligen Gastlandes zusammen. Unsere ausländischen Kollegen kommen aus Universitäten, Museen oder sonstigen Forschungszentren. Natürlich haben wir gerade in Madrid einen sehr guten Kontakt zu allen Archäologen. Üblicherweise trifft man sich in unserer Bibliothek, in der viele von ihnen arbeiten und forschen.

Die Bibliothek ist das Herzstück des Instituts?

Unsere Bibliothek in Madrid ist sicher die umfangreichste archäologische Bibliothek der Halbinsel mit über 63 000 Büchern, Karten und Zeitschriften, dazu eine Fotothek mit über 100.000 Aufnahmen, ein enormer Fundus von Detlef M. Noack 1959 angelegt und dann von Fotografen des Institutes – Peter Witte, heute John Patterson - fortgeführt. Was da abgebildet ist an archäologischen Resten und Funden, gibt es zum Teil gar nicht mehr, ist verschollen, verloren, zerstört.

Sind Bibliothek und Fotothek öffentlich zugänglich?

Nein, die Besucher brauchen eine Akkreditation, ein Empfehlungsschreiben. Für Forschungszwecke steht die Bibliothek jedem offen.

Inwiefern kann das interessierte Laienpublikum an den Forschungen des Instituts Anteil nehmen?

Wir veranstalten Tagungen, Vorträge, gelegentlich auch Ausstellungen. Gerade wird in Valencia die Ausstellung Blick Mira! eröffnet, die vorher in Tarragona zu sehen war und in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Nationalmuseum Madrid organisiert worden ist. Thema ist unser Fotoarchiv. Die Ausstellung wird später auch in Madrid zu sehen sein. Zu den Tagungen und Vorträgen, die in unserem Haus abgehalten werden, kann jeder Interessierte kommen. Das Interesse ist groß wie die Ausstellung zur 50 Jahr-Feier der Abteilung im Madrider Museo de San Isidro gezeigt hat, die von vielen Menschen besucht wurde. 

Die Fragen stellte Clementine Kügler

Kommentare (0) :

Artikel kommentieren
Artikel-Archiv
  • 07.11.2022 [Kommentare: 0]

    Die deutschsprachige katholische Gemeinde in Barcelona wird 100

    Fast einhundert Jahre sind vergangen, seitdem 1922 eine Gruppe in Barcelona lebender deutschsprachiger Katholiken begann, sich zu Sonntagsgottesdiensten in ihrer Muttersprache zu treffen. Diese Gemeinde wuchs rasch und wurde zur Keimzelle der heutigen Deutschsprachigen katholischen Pfarrgemeinde Sankt Albertus Magnus mit ihren pastora.. Artikel weiterlesen

  • 05.01.2021 [Kommentare: 0]

    Xacobeo 2021, das Heilige Compostelanische Jahr

    Der Weg ist das Ziel! Hunderttausende von Menschen pilgern jedes Jahr nach Camino de Santiago, sei es aus persönlichen religiösen oder kulturellen Gründen. Kaum zu glauben, aber Santiago ist die drittwichtigste Pilgerstätte der Christen auf der Welt. Davor rangieren lediglich die Städte Rom und Jerusalem. Santiago heißt übersetzt Sankt .. Artikel weiterlesen

  • 08.04.2015 [Kommentare: 0]

    Schon gewusst? Im Reina Sofía wurden früher Kranke behandelt!

    In einem auffällig modern gestalteten Gebäude in Madrid wird zeitgenössische Kunst aus Spanien ausgestellt: Es handelt sich um das “Centro de Arte Reina Sofïa”, das “Museum und Kunstzentrum Reina Sofía” oder schlicht um „das Reina Sofía“. Es ist der letzte Bestandteil des am “Paseo del Prado” entstandenen “Paseo del Arte” und.. Artikel weiterlesen

  • 24.02.2014 [Kommentare: 0]

    HINTERGRUND: Vicente Ferrer - ein Leben für die Armen

    Vicente Ferrer - mit diesem Namen verbindet man in Spanien ein Leben und einen Kampf für die ärmsten Gebiete des indischen Staates Andra Pradesh. Der Katalane, der am 9. April 1920 in Barcelona geboren wurde, kommt 1952 zum ersten Mal als jesuitischer Missionar nach Indien, wo er sich mit beispielloser Hingabe und Mut für d.. Artikel weiterlesen

  • 16.01.2013 [Kommentare: 0]

    Wer oder was ist eigentlich EMMA?

    Auch wenn die junge, deutsche Generation den Namen EMMA inzwischen unpopulär findet, Améli, Inés oder Lisa -Marie liegen hier eher im Trend, ist dem Deutschen der Name EMMA geläufig. Die Journalistin Alice Schwarzer wählte ihn für ihr feministisches Frauenmagazin, welches immerhin seit 1977 regelmäs.. Artikel weiterlesen

  • 04.03.2012 [Kommentare: 0]

    WISSENSWERT: Das Deutsche Archäologische Institut Madrid

    Neben der deutschen Schule, dem Goethe-Institut und der Botschaft gibt es in Madrid noch eine weitere deutsche Institution, die vielen allerdings leider nicht so geläufig ist: Das Deutsche Archäologische Institut Madrid, kurz DAI. Die wissenschaftliche Einrichtung hängt am deutschen Außenministerium und befasst sich m.. Artikel weiterlesen

  • 13.01.2012 [Kommentare: 0]

    TIPP: Freunde der Archäologie

    Die Wissenschaft unterstützen, für Archäologie begeistern und Wissen verbreiten – das sind einige der Ziele des Freundeskreises des Deutschen Archäologischen Institutes Madrid. 2011 hat es einen Wechsel an der Spitze des 2008 gegründeten Vereins gegeben, wir haben mit dem alten und neuen Präsidenten &uu.. Artikel weiterlesen

  • 15.11.2011 [Kommentare: 0]

    HINTERGRUND: Ein historisches Juwel - die 'Real Academia de la Historia'

    Im Barrio de las Letras, wo Lope de Vega lebte, Miguel de Cervantes begraben und die ersten Teile seines Werkes „Don Quijote de la Mancha“ gedruckt wurden, haben nicht nur Literaten Geschichten und damit auch Geschichte geschrieben. Geschichte spielt im Literatenviertel Madrids auch in einem anderen Zusammenhang eine ganz beso.. Artikel weiterlesen

  • 16.08.2011 [Kommentare: 0]

    Weltjugendtag in Madrid: Glaubensfest der Superlative

    Es wird ohne Zweifel ein Fest der Superlative. Schon knapp 500.000 Menschen haben sich zum Weltjugendtag in Madrid angemeldet, die katholische Kirche erwartet mindestens noch einmal so viele unangekündigte Gäste und Bewohner Madrids. Zu dem Treffen, das am Dienstag beginnt, entstehen Nachtlager in allen möglichen Gebäu.. Artikel weiterlesen

  • 10.08.2011 [Kommentare: 1]

    NUTZWERT: Die Friedenskirche Madrid - Eine „Oase der Ruhe im Herzen Madrids“

    Mitten im Zentrum Madrids, 200m vom Plaza Colón entfernt, befindet sich die Friedenskirche der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde.Auf dem ehemaligen Gelände der deutschen Botschaft gelegen, bietet sie mit ihren Gebäuden einen Ort der Ruhe. Der aussergewöhnliche, kleine aber feine Garten, lässt den aufmerks.. Artikel weiterlesen