HINTERGRUND: Alcalá de Henares: Mehr als ein halbes Jahrtausend Universität

29.08.2012 - Meike von Lojewski / Madrid für Deutsche 

Gut 30 Kilometer östlich von Madrid liegt Alcalá de Henares, ein beliebter Vorort der Hauptstadt. Als die nahe Metropole noch ein Dorf war, galt Alcalá bereits als intellektuelles Zentrum, denn die 1499 gegründete Universität übte über Jahrhunderte eine magische Anziehungskraft aus. Hier studierten und lehrten alle grossen Dichter und Denker Spaniens. Die Studentenzahlen waren für damalige Verhältnisse gross, die Zahl der immatrikulierten Studenten betrug um die 2000.

Es war Kardinal Francisco Jiménez de Cisneros, der die Universität in Alcalá de Henares gründete. Der Franziskaner, nach dem König der mächtigste Mann in Spanien, wollte ein wissenschaftliches Zentrum für Theologie, Philosophie und Kunst schaffen. Vor allem sollte Alcalá eine Art theologisch-humanistische Kaderschmiede werden, die auch sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten offen stand. Bereits 1508 wurde der Lehrbetrieb aufgenommen. Im 16. und 17. Jahrhundert war die Universidad Complutense – der Name bezieht sich auf “Complutum”, wie Alcalá unter den Römern hieß – ein Zentrum der spanischen Literatur. So berühmte Leute wie Lope de Vega oder Tirso de Molina nahmen am Leben der Universität teil.

Heute lebt Alcalá von seiner reichen Vergangenheit, aus deren Schatten sich die Stadt nur schwer lösen kann. Die Verlegung der Universität in die inzwischen boomende Hauptstadt im Jahr 1836 durch Königin María Cristina de Bourbon und die Zerstörungen des Bürgerkrieges hinterliessen ihre Spuren, die bis heute nachwirken.

Dennoch: Obwohl die renommierte Universidad Complutense in Madrid zu den grössten Universitäten Europas gehört, muss sich Alcalá nicht hinter der grossen Schwester verstecken. 1977 wurde in der einst so verschlafenen Stadt, in der auch das Geburtshaus von Miguel de Cervantes steht und Kardinal Cisneros seine letzte Ruhe fand, die alte Universität mit grossem Erfolg neu gegründet.

Die Gebäude der historischen Universität von Alcalá, in denen teilweise der heutige Universitätsbetrieb stattfindet, wurden 1988 mitsamt der zugehörigen Stadt von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannt. Sie können im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Allein die prächtig ausgestattete Hauptfassade unterstreicht die Bedeutung der Universität im 16. Jahrhundert. Dahinter verbergen sich drei Innenhöfe: Der erste, Patio de Santo Tomás y Villanueva, beherbergt einen Brunnen mit zwei Schwänen, der den Namen des Universitätsgründers symbolisiert. Durch den zweiten Hof, den Patio de los Filósofos, gelangt man in den idyllischen Patio Trilingüe, der nach den drei Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch benannt ist. Eine Besichtigung ist wirklich lohnenswert.

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