HINTERGRUND: Madrids Kunstszene bewegt sich

08.11.2010 - Stefanie Claudia Müller 

Vor wenigen Jahren noch galt Madrid als traditionell, die Kreativität der “Movida Madrileña” der 80er Jahre hatte sich komplett ausgelaufen. Der Immobilienboom in der zweiten Hälfte der 90er Jahre brachte viele Neureiche und Konformismus in die spanische Hauptstadt. Doch mit der starken Einwanderung aus Osteuropa, Lateinamerika und Nordafrika ab dem Jahr 2000 veränderte sich nicht nur erneut das Straßenbild, sondern auch das Madrider Kulturleben blühte wieder auf.

Auch der ab 2003 regierende neue Bürgermeister Alberto Ruiz-Gallardón und die “Regionalfürstin” Esperanza Aguirre verhalfen Madrid zu neuem Ruhm. Die Stadt wurde nicht nur die höchstveschuldete des Landes, sondern die gesamte Region zu einer Kunsthochburg. Madrid kommt inzwischen auf 132 Museen und schlägt damit alle anderen 16 autonomen Regionen des Landes.

Helga de Alvear ist Teil dieser neuen Madrider Entwicklung. Auch sie ist eine Einwanderin. Die Deutsche kam noch zu Franco-Zeiten in die Stadt, um Spanisch zu lernen, verliebte sich, heiratete den Architekten Jaime de Alvear und lernte anschließend bei der legendären Madrider Galeristin Juana Mordó alles über zeitgenössische Kunst. Später eröffnete sie ihre eigene Galerie (www.helgadealvear.com), ein voller Erfolg.

Das internationale Kunstmagazin Art Review wählte die 74jährige in seinem aktuellen Ranking “Power 100” auf Platz 71 der hundert einflussreichsten Menschen in der Zeitgenössischen Kunst.

De Alvear verfügt inzwischen über 2500 Werke aus aller Welt, die sie vor wenigen Jahren dem spanischen Staat als Geschenk übergab: “Kunst ist kein Luxus, alle sollten davon profitieren.” In einem eigens dafür errichteten Museum im südspanischen Cáceres soll dieser Traum von ihr Wirklichkeit werden. In Madrid gab es kein Geld und Platz für die Unterbringung der umfassenden Sammlung.

Aber de Alvear mischt dort die Kunstszene anderweitig auf. Ihr ehemaliger Kollege Carlos Urroz ist verantwortlich für die Madrider Kunstmesse Arco 2011, die in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren hat, weil kaum Käufer kamen, sondern eher Schaulustige. De Alvear hat die Messe 1982 mit ins Leben gerufen, jetzt gehört sie einem Expertenteam um Urroz an, das den Ruf der Arco international verbessern soll: “Die Krise macht es noch schwerer, als Galerie in Spanien zu überleben.

Anders als in vielen anderen Ländern muss man hier 18 Prozent Mehrwertsteuer im Kunstgeschäft bezahlen. Das macht Madrid als Markt teuer. Es gibt kaum Sammler. Wir müssen viel Marketing betreiben, um die richtigen Leute in die Stadt zu kriegen und auch hier unter den Spaniern etwas zu bewegen.” Der Schwerpunkt der im Februar stattfindenden Messe wird diesmal auf russischer Kunst liegen.

Wer sich über die Galerien in Madrid informieren will, kann das unter (www.artemadrid.com. Hier kann man sich einen Überblick über die besten Kunsthäuser der Stadt und über ihre Ausstellungen in den kommenden Monaten verschaffen. Eine übersichtliche Broschüre, die in den angeschlossenen Galerien ausliegt, hilft zudem, einen wunderschönen Spaziergang der zeitgenössischen Kunst zu organisieren. Er kann rund um den Platz Alonso Martínez anfangen, wo sich in den Seitenstraßen der Calle Bárbara de Braganza oder San Mateo zahlreiche interessante Galerien befinden.

Westlich von Alonso Martínez in den Räumen der spanischen Galeristin Soledad Lorenzo (www.soledadlorenzo.com), in der Calle Orfila, findet man zum Beispiel viele zeitgenössische Künstler des Landes. Den Boulevard Paseo de Recoletos herunter spazierend, in Richtung des Plaza de la Lealtad, befinden sich rund um den Platz Santa Ana weitere interessante Kunsthäuser.Von dort kann man rüberschlendern zum Museum für zeitgenössische Kunst, dem Reina Sofia, (www.museoreinasofia.es), landesweit der beste Ort für große internationale Ausstellungen.

Hinter dem Reina Sofia, im Multi-Kulti-Viertel Lavapies, befindet sich nicht nur in der Calle Dr. Fourquet die Galerie von Helga de Alvear, sondern auch ein Zentrum für die in Madrid immer bedeutendere chinesische Kunst (gallerymagee.com). Dort in der Nähe befindet sich auch auf dem Paseo del Prado das Kunstzentrum Caixa Forum, das schon wegen seiner Blumenwand sehenswert ist.

Dennoch: “In Madrid muss noch viel mehr Bewegung aus der Künstlerszene selber kommen, aber dafür muss erst mehr Verständnis und Leidenschaft bei den Spaniern für zeitgenössische Werke aufkommen und damit auch mehr Sammlerinstinkt”, glaubt de Alvaer. Die Arco 2011, bei der sich bereits 174 Galerien angemeldet haben, soll ein erster Schritt sein.

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