HINTERGRUND: Studie über spanischen Arbeitsmarkt

12.10.2009 - Clementine Kügler  

„Der spanische Arbeitsmarkt vor einer neuen Arbeitsmarktreform“ lautet übersetzt der Titel einer Studie, die der IESE-Professor Sandalio Gómez zusammen mit María Dolores Gracia und Magdalena Opazo entwickelt hat. Darin werden die Ursachen untersucht, weshalb Spanien im europäischen Vergleich eine Rekordarbeitslosigkeit erreicht hat: von 8,3 Prozent 2007 – dem Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise – auf 17,4 Prozent im ersten Trimester 2009. Und es werden Lösungsansätze für eine Arbeitsmarktreform gegeben, um ein weiteres Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

Das Sinken des Bruttosozialproduktes (spanisch PIB) kann nicht verantwortlich sein, das schwand in anderen Ländern noch stärker und dennoch stieg die Arbeitslosigkeit nicht so extrem wie in Spanien, Beispiele: Frankreich und Deutschland. Insgesamt sind die informativen Vergleiche verschiedener EU-Staaten etwa in Fragen der Arbeitslosenbezüge oder Wettbewerbsfähigkeit sehr nützlich und legen das Zusammenspiel verschiedener Elemente für die spanischen Arbeitsmarktprobleme nahe.

Drei Wirtschaftszweige sind in Spanien entscheidend: Dienstleistungen, Bausektor und Automobilbau. Dienstleistungen also Tourismus machen 68,4 Prozent des PIB aus, vier Prozentpunkte unter dem EU-Durchschnitt. Die Bauwirtschaft liegt mit 11,6 Prozent um fünf Punkte über dem EU-Durchschnitt und hat mit dem Einbruch des Immobiliensektors die Arbeitslosenzahlen entscheidenden erhöht. Die Industrie einschließlich des Energiesektors liegt mit 17,3 Prozent um 2,2 Punkte unter dem EU-Durchschnitt. Dass Tourismus und Bauwirtschaft extrem zyklische Wirtschaftszweige sind, trifft auf andere Länder, in denen die Arbeitslosigkeit dennoch nicht stark zunahm, ebenfalls zu: Griechenland, Portugal und Italien etwa.

Nur Portugal ist weniger wettbewerbsfähig als Spanien. Hier fehlt Innovation. Nur 15 Prozent der Spanier sind gewerkschaftlich organisiert. Hier fehlt kollektives Auftreten. Bei fehlender Flexibilität, hohen Kündigungskosten und schwierigen Bedingungen für Vertragsabschlüsse steht Spanien an der Spitze. Besonders schwer haben es Jugendliche und Frauen. Zwar ist die Zahl der arbeitenden Frauen in Spanien von 39,2 Prozent 1998 auf 51,5 Prozent 2009 gestiegen, der EU15-Durchschnitt liegt jedoch bei 64,3 Prozent. Ein Grund dafür mag auch darin liegen, dass Teilzeitarbeit in Spanien immer noch weniger verbreitet ist: 12,5 gegenüber 19,7 Prozent in der EU15. Die Zeitarbeitsverträge machen 27,1 Prozent aus (EU 15,9 Prozent). Und die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen liegt bei über 50 Prozent.

Die Lösungsvorschläge der IESE-Studie für eine Arbeitsmarktreform sehen unter anderem vor: neue Vertragsentwürfe für Festanstellungen mit speziellem Schwerpunkt bei Jugendlichen und Frauen, billigere Kündigungen, verbesserte Bedingungen für Teilzeitarbeit, Erleichterung der Kündigungen bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Firmen.

Hier die 46-seitige Studie auf Spanisch.


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