INTERVIEW: Spanien hat unglaubliche Angst

26.05.2008 -  

Er ist Sorgenkind, Hoffnungsträger, Führungsspieler in einer Person: Christoph Metzelder, Abwehrmann. Verletzungen prägen seine Karriere ­ doch zu den großen Turnieren (WM 2002 und 2006) war der ehemalige Dortmunder, der seit einem Jahr für Real Madrid spielt, immer fit und gut. Bundestrainer Joachim Löw hat ihm aufgrund der guten Erfahrungswerte einen Platz im Kader reserviert.

Christoph Metzelder über das Deutschland-Bild in seiner Wahlheimat, Real und Rauschebärte

Christoph Metzelder, Ende März, beim deutschen Länderspiel in Basel, waren Sie Gast auf der Tribüne. Sie trugen einen Rauschebart, der uns alle ziemlich erschreckt hat. Wann haben Sie ihn wieder abgenommen ­ und war es eine Befreiung? 

Der war doch nicht schrecklich. Als feststand, dass mein Fuß operiert werden muss, und ich wusste, dass es eng wird, war die Intention: Ich lasse den Bart solange stehen, bis ich wieder gesund bin. Ich habe ihn trotzdem früher abgemacht, und ab da ging es besser, das war wie eine Befreiung. Aber klar ist, dass ich ihn jetzt wieder stehen lasse. 

Sie gelten als Sonderfall, der schnell wieder zur Form findet. 

Ich vertraue auf meine Stärken und darauf, dass ich mit den Ressourcen, die der DFB den Spielern hier bietet, in der Lage bin, wieder auf ein hohes Niveau zu kommen. Wenn man ein paar Wochen im Hotel ist und nichts anderes macht als zu trainieren und sich behandeln zu lassen, müsste es klappen. 

Wo besteht Nachholbedarf?  Es sind viele kleine Details. In den Spielen, die ich jetzt noch für Real machen konnte, habe ich mich eigentlich gut gefühlt, auch körperlich. Auch wenn ich mit der einen oder anderen Beschwerde am Fuß zu tun hatte, was aber normal ist. Gegen Saragossa 90 Minuten, gegen Levante 30, am Dienstag in Saudi-Arabien eine Halbzeit ­ das war jetzt meine Spielpraxis. 

Ihre Vergleichsmöglichkeiten sind noch frisch: Ist die spanische Primera Division der Bundesliga ein Stück voraus? 

Die Mannschaften spielen taktisch ganz anders als in Deutschland, und Außenstehende mögen den Eindruck haben, das Spiel sei sehr schnell. Es ist zum Teil aber sehr ungeordnet, Angriffe werden mit hohem Tempo durchgespielt, es wird selten versucht, den Ball in den eigenen Reihen zu kontrollieren. Und wenn wir bei Real Madrid in Führung liegen, versuchen wir immer, das nächste Tor zu schießen. Wir sind nicht in der Lage, das Spiel mal in die Breite zu ziehen. Schnell nach vorne, über die Einzelspieler zum Erfolg ­ das ist spanischer Stil. 

Haben Sie sich gewundert über das starke Auf und Ab in der Wahrnehmung von Real? Man denke nur an Trainer Bernd Schuster. Mal sollte er einen Vertrag auf Lebenszeit kriegen, dann stand er vor dem Rauswurf. Ist es noch krasser als bei uns?

Ich lese die Zeitungen nicht, aber kann mir vorstellen, dass es so ist. Der Verein definiert sich unglaublich über die Champions League. Das Ausscheiden war ein Drama. Es gibt letztendlich so viele gute Mannschaften. Wenn man bedenkt, wie lange ManU auf den Titel warten musste, dann finde ich nicht, dass man den Gewinn des Europapokals bei Real so zum Selbstverständnis machen kann. Eine nationale Liga ist planbar, die Champions League nicht. 

Spanien ist traditionell Mitfavorit und scheidet traditionell früh aus. Sie müssen jetzt wohl diplomatisch sein: Und diesmal?

Die Spanier machen sich ja selbst darüber lustig, dass sie nie übers Viertelfinale hinauskommen. Eigentlich müssten sie eine Topmannschaft haben. Ich kann nur sagen, dass sie unglaubliche Angst vor uns und keine Lust haben, gegen uns zu spielen. Sie sagen, wir Deutschen sind physisch und mental stark und immer in der Lage, ein Spiel noch zu drehen. Man traut uns im Ausland fast mehr zu als im eigenen Land. 

Ach, immer mehr Deutsche glauben auch an die Mannschaft.

Ich finde es gut, dass, seit Jürgen Klinsmann hier angefangen hat, die sportliche Leitung klare Ziel ausgibt, die ambitioniert sind. Nur wenn man täglich mit dem Ziel lebt, kann man was erreichen ­ und man muss nicht spöttisch damit umgehen, wenn es am Ende nicht klappt. In einem Turnier kann sich auch eine gute Mannschaft entwickeln, doch der Bewertungsmaßstab muss sein, wie man zwischen den Turnieren gearbeitet hat ­ und da stimmt es bei uns. Ich glaube, dass wir viel weiter sind als vor zwei Jahren. Unsere jungen Spieler haben sich sportlich weiterentwickelt und sind Persönlichkeiten geworden. Das Trainerteam muss nicht mehr soviel in die Mannschaft hineingeben, weil sich vieles aus ihr selbst entwickelt. Jürgen hat sehr viel Energie in die Mannschaft gesteckt.

Das Interview führte Günter Klein 

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