INTERVIEW: "Madrider Kunstszene ist interessant"

20.07.2009 - Clementine Kügler  

Wie kam es dazu?
Nach fast fünf Jahren im Bereich Öffentlichkeitsarbeit wollte ich einen Schritt weitergehen und ein wenig aus der Routine, die sich mit den Jahren einstellte, ausbrechen. Ich habe in meinem vorherigen Beruf fast ausschließlich mit Künstlern aus Deutschland bzw. Baden-Württemberg zusammengearbeitet. Da musste ich irgendwann feststellen, dass ich in einer Tretmühle stecke. Ich wollte schon immer die internationale Kunstszene kennenlernen und darin auch meine Tätigkeit wiederfinden. So habe ich mich für ein Praktikum in Madrid entschieden. Die Stadt hat mich von Anfang an fasziniert, denn sie ist eine der kulturreichsten Städte Europas. Geplant war ursprünglich eine Auszeit von vier bis sechs Monaten von meinem Job in Deutschland. Im März habe ich dann gekündigt und bin hier geblieben.

Sie haben Ihre Ausbildung in Deutschland gemacht?
Ich habe nach dem Abitur Modedesign studiert, später eine Ausbildung zur Finanzassistentin gemacht. Dann wurde die Stelle im Bereich Öffentlichkeitsarbeit frei, ich habe mich beworben und dort bis letztes Jahr August gearbeitet.

Welche Sprachen sprechen Sie?
Ich spreche Deutsch, Englisch und Spanisch. Ein paar Wortfetzen Französisch sind vom Gymnasium her noch vorhanden.

Was sind Ihre Aufgaben?
In der Galerie arbeite ich an der Vorbereitung neuer Ausstellungen und der Teilnahme an nationalen und internationalen Kunstmessen, suche Kontakt zu jungen und neuen Künstlern, mit denen wir uns eine Zusammenarbeit vorstellen können, mache Übersetzungen ins Englische und schreibe Texte für Kataloge und die Homepage.

Was zeichnet die Madrider Kunstszene aus?
Zur Madrider Kunstszene fällt mir spontan das Wort „Potsmodernismus“ ein. Frei nach dem Motto „alles ist möglich“ gibt es weder Stilrichtung noch Vorgaben. Die Künstler bedienen sich der Inspiration der großen Meister, vergangener Epochen, mischen es mit den multikulturellen Einflüssen der Stadt. Die Werke junger Madrider Künstler sind meist sehr emotional und persönlich, oft auch gesellschaftskritisch. Vor allem Maler, Fotografen und Designer machen hier einen Großteil der Kunstszene aus. Im Vergleich dazu gibt es wenige Künstler, die sich der Literatur oder Poesie verschrieben haben.

Sehen Sie grundlegende Unterschiede zur deutschen Szene?
Ich denke, man kann kaum noch von spanischer oder deutscher Kunstszene reden. Es ist heutzutage ein übergreifender Begriff. Der Austausch in der internationalen Kunstszene (vor allem zwischen Europa, Asien und Amerika) ist von dermaßen großer Bedeutung, dass sich kaum noch Unterschiede in der Szene an sich erkennen lassen.

Tribeca arbeitet viel mit ausländischen Künstlern? Sind Ihre Sprachen da eine Hilfe?
Auf jeden Fall. Wir arbeiten vor allem mit Künstlern aus China zusammen. Englisch ist die einzige Sprache, in der dann eine Verständigung möglich ist.

Wirkt sich die Wirtschaftskrise mit weniger Reisen, weniger Austausch aus oder ist der Kunstmarkt fernab von Sotheby’s, Christie’s, Saatchi und Marlborough Kummer gewöhnt?
Die Wirtschaftskrise hat vor allem viele kleinere Galerien und Künstler getroffen, es wird nicht mehr so am Kunstmarkt investiert wie noch vor ein paar Jahren. Trotz der Wirtschaftskrise wird der Kunstmarkt jedoch weiter durch Austausch und Neuentdeckungen belebt. Die vielen internationalen Messen finden trotz Krise statt und die bieten meiner Meinung nach eine der größten Plattformen für Austausch und Inspiration.

Würden Sie deutschen Künstlern oder Kunststudenten den Aufenthalt in Madrid empfehlen?
Vor allem Kunststudenten lege ich Madrid ans Herz. Es gibt erstklassige Universitäten und das Angebot an zeitgenössischer Kunst ist groß. Wir haben hier das Glück, drei der wichtigsten europäischen Kunstsammlungen wiederzufinden. Und es findet sich hier Kunst an jeder Ecke, Madrid ist für mich die Metropole zwischen Klassik und Moderne, zwischen Tradition und dem unkonventionellen Geist der jungen Generationen.

Das Angebot an Galerien, Museen, Stiftungen ist immens. Welche würden Sie besonders empfehlen?
Neben den „großen“ Museen sollte man vor allem auch die kleinen Galerien besuchen. Es gibt immer wieder neue aufregende Kunst zu entdecken, die von den Galerien präsentiert werden. Die Atmosphäre in den Galerien ist sehr viel persönlicher, man kommt ins Gespräch und kann sich austauschen. Sehr beeindruckt hat mich auch die Sammlung des CaixaForum am Paseo del Prado. Immer wieder schaue ich mir die Ausstellungen und Veranstaltungen dort an. Zu guter Letzt empfehle ich jedem einen Besuch auf der Kunstmesse ARCO (im Februar).

Gibt es etwas, das Sie gerne von Spanien nach Deutschland „importieren“ würden, bzw. umgekehrt hier vermissen?
Die Liebe und Emotion zur Tradition, uns Deutschen fehlt ein wenig der fast „romantische“ Hang dazu. Hier in Madrid vermisse ich dann und wann meine Familie und Freunde aus der Heimat, … und die Stille.

Das Gespräch führte

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