NEWS: Faszination für deutsche Erziehungsideen

19.01.2010 - Madrid für Deutsche 

Elf Deutsche Auslandsschulen gibt es in Spanien und weit über 500 000 deutsche Staatsangehörige leben dauerhaft in dem sonnigen Land auf der Iberischen Halbinsel. Eine stattliche Bilanz, die nicht von ungefähr kommt, verbinden Deutschland und Spanien doch traditionell gute Beziehungen. Im 16. Jahrhundert hatten Spanien und die deutschen Länder mit Karl V. sogar zeitweise einen gemeinsamen Herrscher, und schon damals gab es zwischen den beiden Ländern einen regen kulturellen Austausch.

Im 19. Jahrhundert waren es speziell die deutschen Erziehungsideen, die die Spanier nachhaltig beeindruckten, und noch heute hat das deutsche Schulwesen viele Anhänger in Spanien. Auch das Interesse an der deutschen Kultur, der Lebensart und Sprache ist vielerorts groß, und so verbuchen die Deutschen Schulen im Land – trotz Wirtschaftskrise und Konkurrenz durch andere internationale Schulen – nicht nur eine kontinuierliche, sondern auch eine steigende Nachfrage.

"Wir müssen, und das sage ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge, pro Jahr etwa 60 Schülerinnen und Schüler ablehnen", erzählt Peter Kammann, Schulleiter der Deutschen Schule Madrid. Auch an den anderen Auslandsschulen im Land ist die Nachfrage groß. Die Deutsche Schule Barcelona erhält jährlich meist doppelt so viele Anmeldungen, wie Plätze vorhanden sind. Speziell die Schulen in den größeren Städten Spaniens werden zudem von vielen deutschen Führungskräften angefragt, die in Spanien arbeiten und möchten, dass ihre Kinder eine deutsche Schulausbildung erhalten.

Die Bundesrepublik ist, nach Frankreich, der stärkste Handelspartner des Landes, ein traditioneller wirtschaftlicher Kontakt, der bis in die Frühe Neuzeit zurückreicht. Aktuell sind rund 1 100 deutsche Unternehmen in Spanien vertreten. "Für die deutsche Industrie hier ist es ganz wichtig, dass wir diese Beschulungsmöglichkeiten in Städten wie Madrid, Barcelona und Valencia bieten", betont Dr. Ernst-Dieter Köpper, Schulleiter der DS Barcelona.

Die neun Deutschen Schulen in Madrid, Barcelona, Valencia, Málaga, Sevilla, Gran Canaria, Teneriffa, Bilbao und San Sebastián stellen gemeinsam mit den Deutschen Schulen in Portugal ein Viertel der gesamten Abiturienten des deutschen Auslandsschulwesens. Etwa 6 400 Schüler und 118 Auslandsdienstlehrkräfte tragen zu dieser bemerkenswerten Bilanz bei. Allein an der DS Madrid werden etwa 100 Reifeprüfungen jährlich abgelegt, an der DS Barcelona sind es circa 90. Ergänzt werden die neun Deutschen Schulen in Spanien durch zwei deutsche Berufsbildungszentren in Madrid und Barcelona.

Die Asociación Hispano-Alemana de Enseñanzas Técnicas (ASET) bietet in Zusammenarbeit mit ihren Mitgliedsunternehmen eine zweisprachige und bikulturelle kaufmännische Ausbildung nach dem deutschen dualen System an. Beide Zentren in Madrid und Barcelona kooperieren mit den Deutschen Schulen vor Ort. "Insbesondere für die Absolventen unserer Realschule ist die ASET oft die einzige Möglichkeit, ihre berufliche Ausbildung in einem spanischen Umfeld zu beginnen", weiß Köpper von der DS Barcelona. "Die ASET bietet neuerdings auch deutsche Fachhochschulabschlüsse an, sodass wir die Möglichkeit haben, unseren Schülern neben dem klassischen Universitätsstudium auch andere duale Ausbildungsgänge aufzuzeigen."

Die Möglichkeit, in Spanien Deutsch zu lernen, ist außerhalb der Deutschen Schulen weit weniger verbreitet, als es bei der wirtschaftlichen, kulturellen und historischen Verknüpfung der beiden Länder zu vermuten wäre. Laut einer Studie des Goethe-Instituts Madrid ist Deutsch eine steigende Nachfrage.

Eine weitere Besonderheit des deutschen Auslandsschulwesens in Spanien ist die Dreisprachigkeit mehrerer Schulen. Neben Spanisch und Deutsch ist an einigen Deutschen Schulen auch eine lokale Sprache als gleichwertiges Pflichtfach im Unterrichtsplan verankert. So wird in Barcelona Katalanisch oder in Bilbao und San Sebastián Baskisch gelehrt. In der Region Baskenland ist es an einigen staatlichen Schulen sogar üblich, nur auf Baskisch zu unterrichten. Die Landessprache Spanisch wird hier, ebenso wie Englisch, nur stundenweise als Fremdsprache gelehrt. Entsprechend gerät Spanisch auch im praktischen Sprachgebrauch der Schüler ins Hintertreffen.

Christiana Scharfenberg, Schulleiterin der DS San Sebastián sieht diese Entwicklung eher kritisch. Sie erinnert dieser Prozess auch an Katalonien, wo man bereits vor zehn Jahren versucht habe, Spanisch durch Katalanisch zu ersetzen. "Das ist im Grunde nur ein Nachteil für die Schüler aus diesen Regionen, denn wer Spanisch nicht sehr gut beherrscht, wird sich schlecht auf eine Stelle in einer anderen Region Spaniens, etwa in Madrid oder Andalusien, bewerben können", meint Scharfenberg. "Hier wird Provinzialismus gestärkt, das ist in einer globalisierten Welt nicht förderlich." Die Gleichberechtigung von Deutsch, Spanisch und Baskisch an der DS San Sebastián sei für einen Großteil der Eltern der Hauptgrund, ihre Kinder an dieser Schule anzumelden, glaubt sie. Tatsächlich unterscheidet Scharfenberg dabei zwei Klassen von Eltern.

"Ich habe mit Müttern gesprochen, die es schade finden, dass das Baskische auch an unserer Deutschen Schule vergleichsweise viel Gewicht hat", sagt sie und fügt hinzu: "Und ich kenne gerade junge Eltern, die es wichtig finden, dass Baskisch einen gleichberechtigten Stellenwert hat, weil wir hier leben." Ähnlich wie die anderen Deutschen Schulen in Spanien haben auch die beiden Deutschen Schulen im Baskenland eine erhöhte Nachfrage zu verbuchen, für den Kindergarten der DS San Sebastián gibt es in diesem Jahr sogar erstmals eine Warteliste. Die Faszination für deutsche Erziehungsideen scheint in Spanien fortzudauern – bis in das 21. Jahrhundert.

aus: "Begegnung – deutsche schulische Arbeit im Ausland". 3-2009
Herausgegeben vom Auswärtigen Amt und der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen

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