NUTZWERT: Raus aus Madrid

14.05.2010 - Sophie Hellriegel 

Menschenmassen schieben sich – insbesondere an den Wochenenden und an Schönwettertagen ganz besonders – durch die Straßen. Überall bilden sich Menschentrauben: im Park, in der Metro, im Stadtzentrum, in der Kneipe, im Museum, im Kaufhaus undsoweiter. Das ist Madrid, das ist Hauptstadt und Metropole – Herz Spaniens und Zentrum für touristische Selbstversuche.

Wohin aber nun, wenn man diesem Großstadttrubel für ein paar Stunden oder Tage entfliehen möchte, um Kraft zu tanken oder Neues zu entdecken? Wie zum Beispiel in den Bergen, am Meer, im Wald oder in anderen Städten? Welche Orte in der näheren Umgebung Madrids gibt es, die sich relativ günstig und schnell erreichen lassen?
Ich habe an den vergangenen Wochenenden ein bisschen die nähere Umgebung Madrids abgegrast und berichte hier über Toledo.

Mit dem Zug nach Toledo – ein Tagestripp

Gleich zu Beginn sei darauf hingewiesen: informiert euch vorher über die GENAUEN Abfahrtszeiten der Züge und kauft vor allem RECHTZEITIG die Tickets am Schalter! Meine Mitbewohner und ich legten noch am Früstückstisch eine Gemütlichkeit an den Tag, die sich beim Blick auf die Uhr plötzlich ändern sollte. Wir standen abgehetzt am Ticketschalter, kurz vor Abfahrt, und erhielten keine Tickets mehr. Zu knapp! Mit dem Bahnbeamten wurde noch ein bisschen hin und her diskutiert aber letztlich wurden uns zwei Stunden länger in Madrid beschert. Der Tag war dennoch sonnig… Der Zug fuhr 15.50 Uhr los, das Rückfahrticket mitinbegriffen, 21.30 Uhr ging es zurück. Die Zugfahrt dauerte 30 Minuten. Nahezu ein Katzensprung!

Merke: Züge von Madrid Atocha nach Toledo fahren am Wochenende, ab Mittagszeit, aller zwei Stunden mit Renfe Avant. Das Ticket für die Hin- und Rückfahrt kostet knapp über 15 Euro. Die Abfahrtzeiten findet ihr hier.

Toledo steht wahrscheinlich in jedem Reiseführer, neben Segovia und El Escorial, in der Rubrik „Sehenswerte Ausflugsziele“ oder „Top Sehenswertes”– und da ist was dran. Toledo ist ein beschauliches Städtchen, mitten auf einem Granitfelsen gelegen, eingerahmt vom Río Tajo und verbunden mit einer mittelalterlichen Brücke. Außerdem sehr schön bei nächtlicher Beleuchtung oder Sonnenuntergang anzuschauen.

Doch gemütlich – auch, wenn das im Auge des Betrachters liegt – und so richtig entspannt, ist es hier auch nicht. Zur Altstadt kommt man entweder vom Bahnhof mit dem Bus oder per pedes. Wir sind gelaufen. Vor uns, hinter uns, über uns, neben uns – überall Touristen, die sich den Berg nach oben schieben oder bereits den Abstieg antreten. Souvenirläden an jeder Ecke, die ein wenig das Individuelle vermissen lassen. Weit verbreitet ist außerdem der Verkauf der berühmten Toledo-Schwerter und Messer, die Produkte einer traditionsreichen Handwerkskunst sind.
Manche Bäckereischaufenster locken mit Miniaturausgaben der Kathedrale Santa María aus Marzipan. Die ist natürlich in Echt noch um einiges prächtiger und sehenswerter.
Ein weiterer Blick lohnt sich in die berühmte Pfarrkirche Iglesia de Santo Tomé mit der Grabmalerei El Grecos. In sämtlichen Museen, Palästen und Kirchen wird mittwochs für EU-Bürger kein Eintritt verlangt. Alle Rabatthascher kommen hier also auch auf ihre "Kosten”.

Das wirklich Individuelle erzeugen die kleinen, verwinkelten Gassen, der weite Blick von oben auf das Land und den Tajo, das Beobachten einer Hochzeitsgesellschaft in einer der Kirchen und Begegnungen, die einen zum Schmunzeln bringen. (Er)kennt jemand noch die Kelly Family? Ja. Angelo Kelly – damals noch ein junger Spross – stand fröhlich-zittrig singend, mit Gitarre und Verstärker ausgestattet, mitten im Toledo-Touristen-Getummel, vor sich eine Schachtel mit CDs. Wer es aus irgendeinem Grund nicht glauben kann, wir haben ein Foto gemacht.

Toledo ist auf jeden Fall eine Tagesreise wert – günstig und schnell zu erreichen und sehr zu empfehlen, wenn es darum geht, Kulturgüter zu erforschen und architektonische Meisterwerke der Westgoten und Mauren zu bestaunen. Aber ein Entrinnen vor den Touristen gibt es kaum, dessen sollte man sich bewusst sein.

Kommentare (0) :

Artikel kommentieren
Artikel-Archiv