REPORTAGE: Hunderetter

28.02.2011 - Janette Wieland  

Pedro Muñoz ist eine kleine Gemeinde mitten im malerischen, von Weinbau geprägten und bekannt gewordenen Wein-Anbaugebiet La Mancha. Es liegt ungefähr 170 Kilometer von Madrid entfernt. Mit seinen knapp 8.600 Einwohnern ist Pedro Muñoz eigentlich ein beschauliches, traditionelles Örtchen, das auch gern von Touristen heimgesucht wird. Doch diese malerische Kulisse hat – zumindest für so manchen Einwohner – einen Schönheitsmakel: Die „Ciudad Animal“, ein privates Tierheim, in dem zurzeit etwa 200 Hunde, vor allem Jagdhunde der Rasse „Galgo“ leben, die keiner mehr haben will.

Loli Cantero hat einen außergewöhnlichen Job. Sie ist die Leiterin der Ciudad Animal in Pedro Muñoz. Ihre Aufgabe ist es, ausgesetzte Hunde von der Straße zu holen, sie vor dem sicheren Tod in einer Perrera zu bewahren oder nach schlimmen Misshandlungen wieder aufzupäppeln. Für sie ist es eine Lebensaufgabe. „Den ganzen Tag und einige Stunden in der Nacht sind wir auf den Beinen. Wir haben keine freiwilligen Helfer. Die Einwohner von Pedro Muñoz unterstützen uns nicht, weil sie eine sehr antike Einstellung haben und generell nur sehr wenig Liebe für Tiere empfinden.“

2 500 Euro Ausgaben im Monat allein für Futter

Kein seltener Fall in Spanien. Dieses Land ist in vielerlei Hinsicht noch immer stark geprägt von seinen Traditionen. Tiere haben bisher kaum Beachtung in Gesetzen oder Verhaltensmustern der Menschen gefunden. Loli Cantero ist daher eher die Ausnahme. Sie weiß, dass ihre Arbeit eine Lebensaufgabe ist und nicht nur körperlich sehr viel von ihr abverlangt.

Täglich hat sie es mit anderen Hürden zu tun, und manche davon wachsen schier unaufhaltsam: „Während der Saison geben wir allein für das Futter 2.500 Euro pro Monat aus. Zu anderen Jahreszeiten ist es etwas weniger. Die Tierarzt-Besuche können wir gar nicht kalkulieren. Ein Beispiel: Wir haben gerade 50 Hunde kastriert und dafür 4000 Euro bezahlt. Es kommt auf den Zustand der Tiere an, wenn wir sie finden. Die Kastration einer Hündin kostet uns 180 Euro, dazu kommen noch Impfungen, Microchip, usw. Bei anderen kommen schwere Operationen oder andere Dinge dazu, die sehr teuer sind. Wir haben einige Rechnungen, die wir in Raten abzahlen müssen.“

Es werden immer mehr Hunde, und die Kosten steigen auch unaufhaltsam. „Jedes Jahr werden es mehr Galgos, die wir in unserem Zentrum aufnehmen, weil immer mehr von ihnen im Stich gelassen werden. Dazu kommen noch die Hunde von der Straße, einige werden uns gebracht, wenn die Besitzer sie nicht mehr wollen. Wir holen die Tiere auch aus den Perreras, bevor sie dort getötet werden. Es ist eine Spirale, die kein Ende hat.”

Trotzdem gibt Loli nicht auf. Tag für Tag ist sie beinahe 24 Stunden im Einsatz. Sie weiß, dass sich daran auch so schnell nichts ändern wird. “Die Situation der Hunde in Pedro Muñoz resultiert aus einer totalen Hilflosigkeit. Wenn wir nicht wären, gäbe es diese Hunde nicht mehr. Wir retten Hunde nicht nur in Pedro Muñoz sondern auch in den Nachbargemeinden. Im Rest von Spanien ist es genau das Selbe. Die Tiere werden einfach aufgegeben und ihrem Schicksal überlassen. Und es gibt keinen Platz für Gesetze, die ihnen Schutz gewährleisten. Die einzige Hoffnung für sie sind die Tierschützer, die Tag für Tag kämpfen, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern, ohne dafür bezahlt zu werden.“

Hilfe aus Deutschland

Ganz allein ist Loli Cantera allerdings nicht. Vor knapp anderthalb Jahren wurde im deutschen Gelsenkirchen der Verein „TSV Galgo-Friends e.V.“ gegründet. Das Ziel war es, ein Tierheim im Ausland zu unterstützen. Durch eine Bekannte wurde die 1. Vorsitzende Carola Birkner auf die Ciudad Animal aufmerksam. „Wir Frauen haben uns vor genau einem Jahr ins Auto gesetzt und sind an einem Freitagabend zu unserer knapp 2000 Kilometer langen Fahrt nach Pedro Muñoz aufgebrochen, um das Tierheimteam persönlich und auch die Situation im Tierheim kennen zu lernen.

Damals befanden sich ca. 100 Hunde im Tierheim, die Galgos im unrenovierten Teil des Tierheims, das übrigens die ehemalige Perrera der Stadt Pedro Muñoz war. Das gesamte Team war sichtlich bemüht, auch diesen Hunden irgendwie ein lebenswertes Dasein zu ermöglichen.“ Einige Zeit später machten sich dann vier Männer des Vereins auf den Weg nach Spanien. Sie halfen, die Galgo-Zwinger zu renovieren. Inzwischen hatte sich die Zahl der Hunde fast verdoppelt. Die meisten davon waren Galgos, die offenbar nach der Jagdsaison einfach aussortiert wurden.

Ein weiterer Grund zur Besorgnis für den Gelsenkirchener Verein und somit für Carola Birkner: „Viele der Galgos waren erkältet und da sie, was ihr rassetypisches Wesen anbelangt, eher zurückhaltender Natur sind und daher immer als Letzte an die Fresströge gelangen, sehr, sehr dünn und ausgemergelt.“ Es war an der Zeit, weiter aktiv zu werden. Über seine Homepage unterstützt der Verein die Vermittlung der Galgos.

Allerdings gibt es auch hier ähnliche Vorgehensweisen bei der Vermittlung wie in einem deutschen Tierheim: „Wie im Tierschutz üblich, erfolgt bei den Interessenten zu Hause eine Vorkontrolle. Wenn nach einem oder mehreren ersten Treffen der Funke übergesprungen ist wird ein Schutzvertrag aufgesetzt und dem Umzug des Hundes steht nichts mehr im Wege“, sagt Carola Birkner. Natürlich ist eine Vermittlung nicht kostenlos. 280 Euro beträgt die Schutzgebühr für das neue Familienmitglied. Dieses Geld geht dann zu 100 Prozent an die Ciudad Animal.

Genug Elend gesehen

Bisher haben 24 Hunde der Ciudad Animal ein neues Zuhause gefunden – aus Deutscher Sicht zumindest. Das Tierheim arbeitet noch mit zwei weiteren Vereinen zusammen. Trotzdem steht die Zahl der vermittelten Hunde in keinem Verhältnis zu den vielen ausgesetzten. Und doch gibt es Erfolgsgeschichten, die alle Beteiligten immer wieder antreiben.

Gudrun und Willi Hardemeyer haben sich entschlossen, gleich zwei Galgas aus Pedro Muñoz in ihr deutsches Zuhause zu adoptieren. Einen Hund haben sie zurzeit zusätzlich noch in Pflege. Es begann vor einem Jahr mit Lissi, die sie im Internet gefunden hatten. „Wir wollten einen Windhund und hatten uns schon lange vorher damit befasst. Der Charakter dieser Hunde ist einzigartig und da wir im Internet genug Elend gesehen haben von den Galgos in Spanien hatten wir uns entschlossen, keinen Welpen aus deutscher Zucht zu nehmen sondern einen Galgo aus dem Tierheim Ciudad Animal. Das Galgo-Friends Team hat uns zu jeder Frage eine Antwort gegeben und uns geholfen wo es nur ging. Kurz und gut, wir fühlten uns vom ersten Moment an gut aufgenommen und beraten.“

Für Loli Cantera geht indes der Kampf um das Überleben der Hunde weiter. Einige ihrer Schützlinge leben schon seit mehr als 5 Jahren bei ihr. Und wenn sie nicht vermittelt werden, dann bleiben diese Hunde auch bis an ihr Lebensende bei ihr, das ist für Loli eine ganz klare Sache. Trotz der guten Zusammenarbeit mit dem deutschen Verein fehlt es aber immer wieder an finanziellen Mitteln. Spenden oder sogar Patenschaften könnten die Situation weiter entschärfen.

Doch das, was die Tiere vor allem brauchen – gerade in Spanien – macht Loli auch deutlich: „Zu erst Aufklärung und Bewusstsein. Und wenn das geschieht, danach, Gesetze, die unsere Tiere wirklich schützen. Und diese Gesetze müssen auch durchgesetzt werden. Unter vielen anderen Dingen gibt es noch eine wichtige Sache, und zwar die Verbindlichkeit zur Sterilisation und Kastration aller Tiere, um unerwünschte Würfe zu vermeiden und vorzubeugen.“ Bis das aber Realität wird, werden sicher noch viele Hunde – im besten Fall – ihren Weg zu Loli finden.


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