SCHREIBWETTBEWERB: "Lichtschatten oder auch: im Schatten ist Licht."

09.07.2009 - Charlotte Titze 

Welche Farbe hat ein Schatten? Macht das Licht den Unterschied zwischen Spanien und Deutschland aus? Oder beginnt der Unterschied für die meisten Menschen mit dem Vergleichen, der eigenen Identität mit anderen? Oder gar bei bi-nationalen Menschen mit dem Durchmischen der verschiedenen nationalen Identitäten?

Anna denkt in letzter Zeit viel über die "Gemeinsamkeiten“ oder Unterschiede von Deutschland und Spanien nach, wobei das Wort Einsamkeit in den Gemeinsamkeiten durchaus auch Sinn für sie macht. Für sie ist die „Wärme“ hier in Spanien nicht automatisch an die Temperaturen gekoppelt, sondern an dem Umgang
den man miteinander hat.

Sie fühlt sich warm und wohl im Kreis ihrer Freunde und friert, wenn sie die Menschen die Gran Via herunterhetzen sieht, immer auf der Suche nach ein bisschen billigen Konsum. Sie besucht momentan die Deutsche Schule in Madrid und wird in 1, 5 Jahren Abitur machen. Danach steht für sie fest, dass sie in Deutschland studieren wird. Am liebsten in Berlin. Ihre Freunde sehen das genau so und wollen mit ihr dort eine Wohnung nehmen - so hofft sie jedenfalls.

Sie ist mit 10 Jahren nach Spanien gekommen und ihre „Heimatstadt“ Frankfurt wird immer schöner und romantischer in ihrer Erinnerung. Besonders die wunderschöne Altbauwohnung nahe dem Palmengarten in der ihre Eltern lebten, hat sie zur Idealvorstellung des Wohnens in einer Stadt erhoben- trotz der Kommentare ihres Vaters, der von rumpelnden Straßenbahnen und astronomischen Heizkosten wegen der hohen Wände, immer wieder versucht, sie auf den Boden der Realität zu stellen.

Anna liebt das Gefühl des Weggehens und Ankommens in diesen beiden Welten. Sie ist von ihrem Vater zum Flughafen gebracht worden- nicht ohne den obligatorischen Ausraster von ihm auf der M30, gerichtet an Gott und die spanischen Autofahrer. Sie hört und sie stört das schon gar nicht mehr. Er wird sich in dieser Hinsicht nie ändern.

Vielmehr achtet sie auf die Nuancen der Brauntöne sowohl in den Häusern, als auch der Landschaft und der Rasenflächen. Dabei denkt sie an Frankfurt und stellt fest das dort eigentlich niemand den Rasen wässert. Das Gras ist immer von diesem Mittelgrün und bekommt höchstens im Sommer ein paar braune Flecken, welche in den Stadtparks meistens auch die Spielfelder der Fußballspieler
markieren.

Sie denkt nach, ob es wohl in Madrid noch viel mehr Parks zum Fußball spielen gibt außer dem Retiro. Sie kennt nur wenige. Sie war auch lange nicht mehr in einem Fußballstadium gewesen, da ihr Vater sich furchtbar vor den Leuten ekelte, die mit Pipas umherspuckten. Sie tat auch immer so, als gäbe es nichts Schlimmeres, grinste aber in sich hinein und fühlte sich unglaublich spanisch, da sie es auch tat, wenn ihr Vater nicht dabei war.

Langsam näherten sie sich der Peripherie Madrids. Grosse, mehrstöckige Backsteinhäuser kamen zum Vorschein. Ihr Vater, der auch mal in Hamburg studiert hatte, erzählte ihr irgendwann, dass dort auch die meisten Häuser mit Backsteinen
gebaut seien. Sie waren aber nicht zu vergleichen mit den Häusern, an denen sie im Auto gerade vorbeifuhr.

Sie kannte sie sehr wohl, schließlich hatte sie dieselben Häuser jetzt schon sechs Jahre lang fast jeden Morgen betrachtet. Auch die Leute die in ihnen wohnten schien sie alle zu kennen. In den öffentlichen Verkehrsmittel hatte sie sich zu einer unglaublichen Menschenkennerin entwickelt. Um die lange Fahrt von Madrid bis zu
ihrem Dorf verträglicher zu machen, erfand sie Spiele: Wenn sie die Leute morgens und mittags ein- und aussteigen sah, versuchte sie sich so viel wie möglich über die Personen vorzustellen.

Wenn sie die Wäscheleinen an den Fassaden sah, konnte sie sich fast bis zur Perfektion ein Bild von den Leuten machen, die diese Klamotten trugen. Hingen Leute in Frankfurt eigentlich ihre Kleider auf die Strasse? Sie erinnerte sich, ein paar Hemden im Innenhof ihrer Frankfurter Wohnung hängen gesehen zu haben. Das war aber die Ausnahme. Hatte wohl was mit der übertriebenen Privatsphäre zu tun, auf der die Deutschen immer beharrten. Denen ist es peinlich, ihre Unterwäsche zu zeigen.

Jetzt näherten sie sich dem Flughafen Barajas, über den sich alle deutschen Besucher beklagten. Er sei so groß, so chaotisch und so unübersichtlich. So spanisch fügte sie oft hinzu und lachte. Im Flughafen hatte sie immer das Gefühl zwischen zwei Welten zu sein. Sie saugt im Terminal 4 die ganzen Farben und den Lärm der Menschen auf, bevor sie in das Flugzeug steigt. Sie riecht den Duft der Menschen dort und stellt dabei fest, was sie in Frankfurt nicht haben wird. Der Flughafen dort riecht nach Plastik und Kerosin und nicht nach Loewe und Aqua di Selva.

Für Anna sind es auch die Gerüche, die den Unterschied zwischen den beiden
Städten ausmachen. Deutsche riechen nach Sauberkeit und Deodorant. Spanier riechen irgendwie nach allem. Als sie in Frankfurt gelandet ist, nimmt sie ihren kleinen Koffer und begibt sich zur S-Bahn. Niemand holt sie ab, denn ihr Onkel bei dem sie leben wird, hat ihr gesagt das sie mit S- und UBahn schneller ist als er mit dem Auto quer durch die Innenstadt.

Morgen geht es hier weiter mit dem 2. Teil von " Lichtschatten oder auch: im Schatten ist Licht"

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