SERIE: Die Welt des Walter Moers

28.05.2009 - Tanja Nause 

„Mein Name ist Hildegunst von Mythenmetz“, sagte ich.
„Da klingelt bei mir nichts.“
„Bei mir auch nicht.“
„Nie gehört, den Namen.“
„Das ist kein Wunder“, sagte ich beschämt.
„Ich habe auch noch nichts veröffentlicht.“

Wer kennt ihn nicht? Und doch: wer kennt ihn? Walter Moers ist uns ein Rätsel. Wir wissen wenig von ihm, die Einzelheiten seines Lebens hält er fern von uns. Fotos oder öffentliche Auftritte: Fehlanzeige. Interviews: selten. Ist Walter Moers Schriftsteller? Zeichner und Illustrator? Oder einfach Übersetzer der zamonischen Schriften des großen Dichters Hildegunst von Mythenmetz? Wenn wir das nur wüssten! Ja, aber wenn wir das wüssten. Was würde es uns nützen? Eben.

Und auch sonst scheint alles an ihm genial. Bekannt wurde Walter Moers durch seine Comicfiguren „Kleines Arschloch“, „Der alte Sack“, „Adolf“ und „Der Fönig“. Recherchen ergeben, dass der erstgenannte Comic auch auf Spanisch vorliegt, „El pequeño hijoputa“ (1990, La Cúpula). Das Zeichnen erlernte der 1957 geborene Moers autodidaktisch, neben einer kaufmännischen Lehre (abgebrochen) und Gelegenheitsarbeiten – soviel ist über ihn bekannt. Seit 1984 veröffentlichte Moers seine Comics, zunächst in den Satirezeitschriften „Kowalski“ und „Titanic“, später in eigenen Büchern.

1988 schuf Moers die Figur des Käpt'n Blaubär, die durch die „Sendung mit der Maus“ große Berühmtheit erlangte. Im Jahr 2000 erschien der Zeichentrickfilm „Käpt’n Blaubär“, 2006 wurde das Musical „Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär“ in Köln uraufgeführt. 2008 kam schließlich das TV-Musical „Käpt’n Blaubär – Die 3 Bärchen und der blöde Wolf“ heraus (ARD/WDR), wofür Walter Moers soeben, am 15. Mai 2009, den Bayerischen Fernsehpreis erhielt.

Mit der Figur des Käpt'n Blaubär war schließlich der Grundstein gelegt für eine phantastische Romanwelt. 1999 erschien der erste der sogenannten Zamonien-Romane, „Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär“, „Las 13 vidas y media del capitán Osoazul“ (1999, Ediciones Maeva), ins Spanische übertragen von Miguel Sáenz. Der 1932 geborene Miguel Sáenz gehört zweifelsohne zu den bekanntesten Übersetzern deutscher Literatur ins Spanische. Sáenz hat Rechtswissenschaft und Germanistik studiert, war dann zunächst Übersetzer bei den Vereinten Nationen, später Universitätsdozent am Madrider Instituto Universitario de Lenguas Modernas y Traductores. Seit 1992 arbeitet Sáenz freiberuflich. Und er hat sie alle übersetzt: Bertolt Brecht, Günter Grass, Alfred Döblin und nahezu das Gesamtwerk von Thomas Bernhard. Und Walter Moers.

Käpt'n Blaubär nun, der im gleichnamigen Roman durch den fiktiven Kontinent Zamonien reist, trifft auf seinem Weg zahlreiche andere „zamonische Daseinsformen“ an, welche dem Leser höchst unterhaltsam im „Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung“, verfasst von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller, erläutert werden. Auf „Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär“ folgten die Zamonien-Romane „Ensel und Krete“ (2000) und „Rumo & die Wunder im Dunkeln“ (2003 - beide nicht übersetzt).

2004 erschien der bislang vielleicht schönste Zamonien-Roman, „Die Stadt der Träumenden Bücher“, „La Ciudad de los Libros Soñadores“ (2006, Miguel Sáenz, Maeva). Denn was gibt es schöneres, als ein Buch über Bücher? Im zamonischen Ort Buchhaim, besser gesagt in dessen Katakomben, leben die liebenswertesten, höflichsten Wesen des zamonischen Kontinents: die Buchlinge (siehe Abbildung oben) – kleine, allesfressende Zyklopen. Jeder Buchling vertritt dort unten einen „unserer“ großen Schriftsteller und Dichter, dessen Werk er auswendig gelernt hat (bzw. lernen musste), beispielsweise Dölerich Hirnfidler, Gofid Letterkiel, Ojahnn Golgo van Fontheweg und die ohnvergleiche Sanotthe von Rhüffel-Ostend (Auflösung unten, wer nicht über diesen Anagrammen grübeln möchte).

Moers parodiert in seinem Roman auf gewissenhafte und sympathische Weise den gesamten Literaturbetrieb aus Schriftstellern, Agenten, Sammlern und Verlegern, mit Lesungen in Kaffeehäusern und Parkanlagen, mit „fünftausend amtlich registrierten Antiquariaten“ („Da: >Die Ameisentrommel< von Sansemina van Geisterbahner, in der legendären Spiegelschriftausgabe! >Der gläserne Gast< von Zodiak Glockenschrey! Hampo Henks experimenteller Roman >Der Hund, der nur im Gestern bellte< – lauter Bücher, von deren Lektüre ich träumte“) – eine Welt mit „ausgemergelten Dichtern“, „lebenden Zeitungen“ und Deklamationsabenden („Ich bin nur eine Berghutze, rief die Zanilla-Darstellerin gerade voller Dramatik, und du, mein Geliebter, du bist ein Murch. Wir werden niemals zueinander finden. Laß uns gemeinsam von der Dämonenklamm springen!") Auf so viel Spaß am Fabulieren trifft man selten.

Und auf so viel Lust am Gestalten. Walter Moers hat alle seine Zamonien-Romane selbst illustriert und hat ihnen schöne Umschläge mitgegeben, so auch dem bislang letzten Zamonien-Roman, „Der Schrecksenmeister“ (2007, noch nicht übersetzt). Moers' großes zeichnerisches Vorbild heißt Gustave Doré, dem er gleich ein ganzes Buch gewidmet hat („Wilde Reise durch die Nacht“, 2001).

Walter Moers ist längst einer der kommerziell erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren. Wer kennt ihn nicht? Und doch: wer kennt ihn? Walter Moers bleibt uns ein Rätsel. Am 24. Mai hat er Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!

Links:
www.mythenmetz.de
www.nachtschule.de
www.nachtschueler.de
www.kleines-arschloch.de
www.wdr.de/tv/blaubaer

Hier kann man Moers in Madrid kaufen!

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