TIPP: "Hilde" - ein Film über Deutschland

07.06.2009 - Stefanie Claudia Müller 

Hildegard Knef ist wohl die bekannteste deutsche Nachkriegs-Chanson-Sängerin. Die blonde schlanke Frau mit den großen Augen bestach durch ihre Schönheit, ihre eigenen, ehrlichen Texte und eine außergewöhnlich dunkele und volle Stimme. In den 50er Jahren war sie zudem eine begehrte Schauspielerin für ausländische Produktionen. Sie bekam viele Verträge, aber nur wenige gute Rollen, was sie nie verwunden hat und was ihre Liebe für die Musik enorm gefördert hat.

Ihre polemische und von Schicksalschlägen gezeichnete Schauspiel-Karriere am Ende des Zweiten Weltkrieges und das Spiel und Zaudern der völlig unpolitischen Künstlerin mit dem deutschen Volk und seiner Vergangenheit in den Jahren danach ist beispielhaft für das Leben vieler Deutscher dieser Zeit. Deswegen ist Kai Wessels Film “Hilde” über die ersten 40 Jahre ihres Lebens auch ein Film über die deutsche Geschichte und den Umgang der Nachkriegsgeneration mit der Verantwortung für die Greueltaten der Nazis und die daraus folgenden Konsequenzen.

Der Film, der gerade das Deutsche Filmfestival in Madrid eröffnet hat, weist viele Brüche auf und ist teilweise etwas langatmig, aber er hat auch sehr starke Momente wie zum Beispiel die Szene, wo Hildegard Knef 1945 als Soldat verkleidet ihrem Geliebten, dem Reichsfilmdramaturgen Ewald von Demandowsky, ohne Sinn und Verstand in den letzten Widerstand gegen die Allierten folgt. Oder als sie nach dem Krieg vom prüden Deutschland wegen ihrer kleinen Nackt-Rolle in die “Die Sünderin” abgestraft wird und eine Pressekonferenz mit der Frage eröffnet: “Warum hat Deutschland sich nicht aufgeregt darüber, dass sechs Millionen Juden getötet wurden, warum regt es sich nun so über diesen Film auf?” Aber auch sie selbst muss sich immer wieder fragen, warum hat sie nichts gewußt, warum hat sie nichts gemacht, als sie so nah an den Hebeln der Nazi-Macht war.

Die stets mit großen Gesten auftretende Hildegard Knef kann sich mit den Deutschen und ihrem widersprüchlichen Verhalten nicht versöhnen und damit auch nicht mit sich selber. Sie kehrt ihrer Heimat immer wieder den Rücken, heiratet einen Amerikaner, nimmt die US-Staatbsbürgerschaft an, kann ihre Herkunft aber nicht leugnen. Immer wieder zieht es die schöne Deutsche nach Berlin. Mit ihrem US-Vertragspartner Fox überwirft sie sich schließlich, danach ist ihre Karriere als Schauspielerin erst einmal vorbei, sie wird eine erfolgreiche Sängerin. Ihren ersten Konzerte gibt sie in Berlin.

Hildegard Knef wurde mit zunehmendem Erfolg eine launische Diva, eine Frau, die von vielen geliebt und gehasst wurde. Sie war berühmt, ohne jemals wirklich ein internationaler Star zu sein, was ihre zarte Seele unter dem harten Kern nie verkraftet hat. Sie scheiterte an ihren eigenen hohen Ansprüchen und vielleicht auch an ihrer deutschen Vergangenheit. Dreimal verheiratet, davon zweimal mit Ausländern, kam sie nie zur Ruhe, wurde mit dem Alter immer schwieriger, war am Ende abhängig von Alkohol und Tabletten, wurde labil und egozentrisch. 2002 stirbt sie.

Sie wäre in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden. Das erklärt auch das Revival, das ihre Musik derzeit erfährt, vor allem in Berlin, der Stadt, in der sie groß geworden ist und der sie viele Lieder gewidmet hat.

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